Verhext von Maxim Biller: „Im Kopf von Bruno Schulz“ am Schauspiel Köln uraufgeführt

Foto: Tommy Hetzel/Schauspiel Köln

Foto: Tommy Hetzel/Schauspiel Köln

Maxim Billers Kolumnen in der „Zeit“ lese ich ganz gerne. Als nun eine Uraufführung nach einer Novelle von ihm auf dem Spielplan des Schauspiel Köln auftauchte, dachte ich: Unbedingt hin zu „Im Kopf von Bruno Schulz“, in der Regie von Christina Paulhofer. Merkwürdig verhext habe ich 90 Minuten später das Depot 2 wieder verlassen.

Dabei beginnt die Angelegenheit ganz dynamisch, um nicht zu sagen hektisch. Der Bühnenraum (Jörg Kiefel) ist in eine Turnhalle von anno dunnemals verwandelt, mit den typischen blauen Matten, Kästen, Böcken, Trampolin und Schwebebalken. Über eine Leinwand flimmern Schwarz-Weiß-Filmchen von turnenden Schülern in paramilitärischem Drill.

Zwei Schauspieler (Robert Dölle, Sean McDonagh) keuchen, rennen und schwitzen ebenfalls auf den Geräten, eine Schauspielerin (Nicola Gründel) treibt sie herrisch an. Die Szenerie ist im polnischen Provinzstädtchen Drohobycz angesiedelt, 1938. Der Gymnasiallehrer und heimliche Schriftsteller Bruno Schulz pflegt eine masochistische Beziehung zu Kollegin Helena und ärgert sich ansonsten mit seiner Familie herum, die aus einer leicht verrückten Schwester und deren missratenen Kindern besteht. Außerdem ist Bruno Schulz ein glühender Verehrer des Schriftstellers Thomas Mann im fernen Deutschland, von wo ansonsten unheilvolle Nachrichten über Brutalität und Antisemitismus dringen.

Plötzlich taucht in dem beschaulichen Provinzstädtchen ein Betrüger auf, der sich als ebendieser Thomas Mann ausgibt. Doch er benimmt sich schlimmer als jeder Herrenmensch: Er prügelt die ihn bewundernden Dorfbewohner und spannt sie als Lasttiere vor seine Kutsche. Nun will Bruno Schulz handeln. Er muss den echten Thomas Mann aufklären über den Missbrauch seiner Person im fernen Polen und schreibt ihm einen Brief, dem er gleich noch sein neuestes Manuskript beilegt…

Foto: Tommy Hetzel/Schauspiel Köln

Foto: Tommy Hetzel/Schauspiel Köln

Die theatralische Umsetzung dieser Geschichte gerät eher assoziativ: Sean McDonagh, eben noch im Turnleibchen, spielt den falschen Thomas Mann in schrillen Glitzerklamotten und wirkt dabei wie ein schmieriger Casting-Show-Moderator. Robert Dölle als Bruno Schulz zwängt seinen schweren Körper unbeholfen in verschiedene Sado-Maso-Utensilien und Tunten-Gewänder und genießt es, von Nicola Gründel als Helena immer wieder gequält zu werden, die als ein aus dem Manga-Comic entsprungenes Zwitterwesen ausstaffiert ist und gelenkig über den Schwebebalken turnt.

Der drohende Holocaust kündigt sich durch Duschköpfe an der Decke an, durch die langsam und schleichend der Rauch quillt. Überhaupt hat Bruno Schulz die schwärzesten Visionen von der Zukunft, die von der Realität noch umso grauenhafter übertroffen wurden. Das verleiht dem Abend eine ebenso fiebrige wie diabolische Stimmung, die durch den ganzen billigen Sex- und Glitzerkram umso grotesker wirkt. Böse und bohrend zugleich stellt das Stück auch die Figur Thomas Manns in Frage und die blinde Bewunderung, die die jüdische Gesellschaft von D. dazu bringt, sich von diesem „Zauberer“ quälen, beschwindeln und verhexen zu lassen.

So hinterlässt „Im Kopf von Bruno Schulz“ den Eindruck eines seltsamen Spukes, wenn auch der alptraumhaften Art.

Termine und Karten:
http://www.schauspielkoeln.de/spielplan/monatsuebersicht/im-kopf-von-bruno-schulz/803/

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