„Così fan tutte“ in Dortmund: Eine Tragödie voller Heiterkeit

Zarte Blüten der Zuneigung entdeckt Fiordiligi (Eleonore Marguerre) für Ferrando (Lucian Krasznec. Foto: Thomas M. Jauk/Stage Picture)

Von einem bösen Menschenexperiment erzählt Mozarts Oper „Così fan tutte“, in der ein zynischer Philosoph zwei verliebte junge Männer in eine perfide Wette um die Treue ihrer Freundinnen treibt. Im Theater Dortmund schwebt das zweiaktige „Dramma giocoso“ jetzt licht und anmutig über mephistophelische Abgründe. Intendant Jens-Daniel Herzog hat seine vor acht Jahren am Nationaltheater Mannheim erarbeitete Fassung erfolgreich für Dortmund aufpoliert.

Auf dem Drahtseil zwischen Posse und Tragödie hält die Produktion sicher die Balance. Sie neigt zuweilen dem Klamauk zu, gleitet aber nie vollends in die Klamotte ab. Lieber hält sie sich an Mozarts heitere Liebenswürdigkeit, die alle Figuren gelten lässt und niemals Partei ergreift. Je schlimmer die Akteure sich in den Strippen des intriganten Don Alfonso verstricken, desto humaner erscheinen sie uns. Jens-Daniel Herzog zeichnet die zunehmende Verwirrung der Köpfe und Herzen glaubhaft und punktgenau nach. Bei aller galanten Grazie bleibt stets eine dramatische Fallhöhe spürbar: Hier werden Beziehungen so lange und so hart auf die Probe gestellt, dass die Risse am Ende nicht mehr zu kitten sind.

Bühne und Kostüme von Mathis Neidhardt schaffen einen nachgerade genialen Rahmen für das doppelbödige Spiel. Ein stuckverziertes Theaterfoyer, das wohl einst bessere Zeiten sah, lässt sich gegen eine kleine Wohnstube mit geblümter Tapete verschieben, in der Dorabella und Fiordiligi zum Warten verdammt sind. Ihre Liebsten Ferrando und Guglielmo wirken in ihrer unaufdringlich geschmacklosen 50er-Jahre-Garderobe wie verkappte Spießer. So beschwört Neidhardt eine enge Welt mit rigiden Vorstellungen von Anstand und Moral, die er in der Folge ungebremst auf Bilder aus dem Orient prallen lässt. Denn Ferrando und Guglielmo werben als geldschwere Scheichs um die Gunst der jeweils falschen Partnerin.

Ausgewogen und erfrischend spielfreudig präsentiert sich das Dortmunder Ensemble. Die Stimmen klingen durchweg warm, lebendig und gut geführt. Dass sie eher klein sind, führt zur vielleicht einzigen Schwachstelle innerhalb kurzweiliger dreieinhalb Stunden. Es dauert bis zur Pause, bis ein erstes überzeugendes Forte aufkommt, und beinahe bis zum Schluss, bis die Ensembles wahre Strahlkraft und Dichte entwickeln. Der schlanke und federnde Klang, den Dirigent Motonori Kobayashi und die Dortmunder Philharmoniker beisteuern, bleibt da notgedrungen über weite Strecken dünn. Ohne einer opulenten Orchesterbesetzung à la Karajan das Wort reden zu wollen: Ein wenig mehr Klangfülle hätte mehr Funken aus der Musik geschlagen.

Gleichwohl gilt es, Lob zu verteilen: für den beweglichen und anrührenden Sopran von Eleonore Marguerre (Fiordiligi), das reiche Timbre und das komödiantische Talent von Ileana Mateescu (Dorabella), den schlanken lyrischen Tenor von Lucian Krasznec (Ferrando), den bis zum Ingrimm intensiven Bariton von Gerardo Garciacano (Guglielmo), den eher gemütlich-bösen Bass von Christian Sist (Don Alfonso) und natürlich für Julia Amos, die als quirlige Dienstmagd Despina sogar in den Orchestergraben steigen und den Dirigenten entführen darf. Die von Granville Walker gut einstudierten Chöre haben als falsche Soldaten einen herrlich komischen Auftritt. Bravos und Klatschmärsche im ausverkauften Haus. Das Dortmunder Opernpublikum, in den letzten Jahren nur selten verwöhnt, hofft hörbar auf eine Wende zum Besseren.

(Der Bericht ist zuerst im Westfälischen Anzeiger erschienen. Informationen: www.theaterdo.de)

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