Picassos neue Heimat liegt mitten in Westfalen – In Münster eröffnet ein erstaunliches Museum mit rund 800 Lithographien

Von Bernd Berke

Zeit für ein kleines Städtequiz. Wir nennen die klingenden Namen Barcelona, Paris und Antibes in Südfrankreich. Frage: Welcher Ort gehört noch in diese Reihe?

Seit gestern: Münster. Denn hier gibt es jetzt das weltweit vierte Museum, das ausschließlich dem Werk des Pablo Picasso (1881-1973) gewidmet ist. Rund 800 Picasso-Lithographien („Steindrucke“) nennt das schmucke neue Doppelhaus im Druffelschen Hof und dem benachbarten Hensenbau sein Eigen.

Damit besitzt man nahezu Picassos Gesamtwerk in dieser Technik. Nur etwa zehn bis zwölf weitere Arbeiten dürften noch irgendwo auf dem Markt herumgeistern – zu handelsüblichen Preisen zwischen 1000 und 200.000 Mark pro Stück. Natürlich hortet Münster die Blätter nicht exklusiv, denn Picasso hat seine Lithographien meist in Auflagen um 50 Exemplare herstellen lassen. Auch ist in Antibes, direkt an der Côte d’Azur, das Ambiente noch eine Spur grandioser. Doch wir wollen nicht meckern. Im Gegenteil.

Gestern konnte man sich beim ersten Rundgang staunend überzeugen: In einem relativ kurzen „Litho-Rausch“ (etwa von 1945 bis 1950) hat Picasso weite Sektoren seines ungeheuren Themenkreises auch beim Stein- und Zinkplatten-Druck ausgeschritten.

Warum die Frau grüne Haare hat

Man kennt die Grundmotive und freut sich immer wieder über die Vielfalt, die der Meister ihnen abgewann: Figuren aus Mythos und Bibel, Stiere, Gaukler, Faune; und besonders Frauen, Frauen, Frauen. Denn Picasso hatte – ähemm! – nicht nur einen hohen „Verbrauch“ an Farbe, Leinwand und Papier…

Eine der schönsten Serien heißt „Frau mit grünem Haar“ (1943). Der ewige Konkurrent Matisse hatte Picassos Gefährtin Françoise Gilot gesehen und verzückt gemeint, man müsse die Süße unbedingt mit grüner Frisur abbilden. Der lüsterne Wunsch weckte Picassos häufig lodernde Eifersucht, und sogleich setzte er den Gedanken selbst in die Tat um, bevor es der Rivale tun konnte. Picasso stellte das Antlitz der Gilot durchweg frontal dar, die nicht minder schöne Jacqueline Roque zeigte er stets im Profil. Das Wissen des Eroberers: Die eine wirkt so, die andere so am besten.

Oft ist dasselbe Motiv in verschiedensten (Zwischen)-Zuständen zu bewundern, man kann die feinen Abstufungen miteinander vergleichen. Es ist, als blicke man direkt in die Werkstatt Picassos: Fehlte nur noch, dass er selbst um die Ecke biegt und sich an die alte Druckmaschine begibt, die hier gleichfalls zu sehen ist. Immerhin: Sein Sohn Claude war gestern wirklich da.

Zur Eröffnung präsentiert man 210 Arbeiten. Nach und nach soll (durch „Rotation“ im Viermonats-Rhythmus) die gesamte Kollektion vorgestellt werden. Größtenteils ist sie dem heute 72-jährigen Gert Huizinga aus Lengerich zu verdanken. In den 50ern freundete er sich mit Picassos Lieblings-Drucker Mourlot an, erwarb immer mehr Blätter und hütete sie lange daheim. Schließlich wuchs ihm das Ganze über Kopf und Dach, so dass er alle Schätze in eine Stiftung einbrachte, die nun von drei großen westfälischen Finanz-Dienstleistern getragen wird. Nicht immer wird Banken-Geld so gut angelegt.

Graphikmuseum Pablo Picasso, Münster, Königsstraße 5. Geöffnet ab Sonntag, 10. Sept.: Di-So 10-18, So 11-17 Uhr (Immer nur 100 Besucher auf einmal. Unbedingt erkundigen: Tel. 0251/41 447-0). Eintritt 9 DM. Bestandskatalog 59 DM.

 

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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