Von Bernd Berke
Wuppertal. Grenz-Erfahrungen haben den Maler K. H. Hödicke von jeher inspiriert. Als Berlin noch in zwei Hälften zerfallen war, hatte der renommierte Anreger der „Neuen Wilden“ ein Atelier in einer Stadtwüstenei direkt an der Mauer, so daß er in den Ostteil blicken konnte. Seit 1981 verbringt er jeden Sommer im geteilten Irland. Dort sind jene Bilderzyklen entstanden, die jetzt das Wuppertaler Von der Heydt-Museum präsentiert.
Was gibt es in der einsamen zerklüfteten Gegend von Connemara im Nordwesten der Insel zu sehen? Nun, der Motivkanon ist auf eine Weise begrenzt, die das innere Erleben bereichert. Gerade in der faszinierenden Kargheit kann sich der Künstler, nicht abgelenkt durch grelle Vielfalt, um so intensiver mit den Nuancen des Sichtbaren und mit dem eigentlichen Malvorgang befassen.
Die Vielfalt der Schafe
Salopp gesagt: Wer beispielsweise immer wieder Schafe zeigt, kann Schafe immer wieder anders zeigen. Die Tiere treten tatsächlich auf etwa der Hälfte der rund 80 ausgestellten Bilder in Erscheinung. Es scheint so, als habe Hödicke die Schwankungen seiner seelischen Befindlichkeit in den wolligen Wesen dargestellt. Mal trotten die Schafe ruhig als Gruppe daher, mal stehen sie einzeln da wie Monumente, oder ihre Gestalt blitzt nur auf wie eine Karikatur des Kreatürlichen. Andere werden zu Markte gebracht und verkauft, wieder andere als blutige Opfertiere dargebracht. Auf einigen Arbeiten rücken die hohlen Schädel toter Lämmer ganz in den Vordergrund und fügen sich zu düsteren Ornamenten an der Grenze zur Abstraktion.
Häufig wiederkehrende Motive in dieser raun (und übrigens völlig frauenlosen) Welt sind auch die Vegetation – und Kneipenszenen, freilich nicht aus touristischem Blickwinkel gesehen, sondern stets existentiell verdichtet. Die Bilder aus den Pubs wirken seltsam dumpf und bedrückend. Hödicke zeigt triste Ansichten des Trunks: Von Wind und Wetter, Lebenssorgen und Alkohol gegerbte Gesichter, einsam aufragende Gläser, eine Anzahl von Beinen auf Barhockern, unter denen ein Hund vor sich hin stiert.
Feuerrote Fuchsien
Ein in seiner ganzen Gestik unterschwellig aggressives Musikanten-Bild aus diesem Zyklus greift – lautmalerisch verballhornt – einen irischen Werbeslogan gegen Alkohol auf, der auch zum Ausstellungstitel wurde: „Havapaintamilkaday“, entzerrt und übersetzt etwa: Trinke täglich einen Pint (ca. einen halben Liter) Milch. Vertrackte Anspielung: „Pint“ wird von den Iren etwa wie wie „Paint“ ausgesprochen – und das wiederum heißt malen. Das tägliche Bild – ein Lebens-Mittel des Künstlers.
In der westirischen Pflanzenwelt haben es Hödicke besonders die feuerroten Fuchsien angetan. Mit ihnen und mit roten Lampions feiert er wahre Orgien glühender Farbigkeit. Eingefaßt in bedrohliches Schwarz, werden die Blüten zu Fanalen eines Lebens auf der Klippe zum Tode. Einer leuchtenden Fuchsienhecke gibt er den Untertitel „Wo sind die Heckenschützen?“ Ganz so, als sei die Naturschönheit durch den (nord)irischen Konflikt vergiftet.
Des weiteren sehen wir Grenzzäune und Pfosten, Stacheldraht, einen bildfüllenden tiefbraunen Torf-Abstich oder zwei Männer, die ein Boot tragen. Einfache Dinge, einfaches Tun. Fast wie in archaischen Zeiten.
K. H. Hödicke – „Havapaintamilkaday“ – Irland-Bilder 1981-1996. Kunsthalle Wuppertal- Barmen, Geschwister-Scholl-Platz. 20. April bis 1. Juni. Di-So 10-17 Uhr. Katalog 39 DM.