Sehnsucht nach der Sinnlichkeit des Südens – Barocke Schätze aus Budapest in Wuppertal

Von Bernd Berke

Wuppertal. Gute Beziehungen zu Osteuropa tragen Früchte, auch kulturelle. Vor Jahresfrist konnte das Wuppertaler Von der Heydt-Museum Bilderschätze aus Bukarest („Von Cranach bis Monet“) zeigen, jetzt prunkt man mit Barock-Gemälden aus dem Budapester Museum der Bildenden Künste.

Wiederum locken ganz große Namen: Rembrandt, Rubens, Van Dyck, Frans Hals. Doch auch von weniger bekannten Künstlern sieht man Erstaunliches.

Aus einem üppigen Budapester Fundus von rund 3000 Gemälden (vor langer Zeit von den Dynastien Esterházy und Habsburg zusammengetragen) hat man 80 kostbare Stücke auf die Reise geschickt. Ohne Konzept wäre es pure Willkür gewesen. Leitlinie der Auswahl: Aus den Bildern soll die brennende Italien-Sehnsucht „nordischer“ Barockmaler sprechen.

Italien war als Vorbild Pflicht

Tatsächlich war es (nicht nur) im 17. Jahrhundert für flämische, niederländische und deutsche Maler Pflicht, entweder in Italien gewesen zu sein oder sich wenigstens an den dortigen Künstlern zu orientieren. Ob sie sich die Anregungen des Südens kraftvoll anverwandelt haben oder ihnen nur aufgesessen sind, daran bemißt sich die Qualität. Die Schau enthält Porträts, Stilleben, pralle Genrebilder aus dem täglichen Volksleben und Landschaften. Etliche Szenen wird man nur mit genauen mythologischen oder biblischen Kenntnissen aufschlüsseln können. Auch wirkt diese oder jene Ideallandschaft für heutige Betrachter vielleicht gar zu idyllisch.

Doch die allermeisten Werke sind von einer aufblühenden Sinnlichkeit, die uns unmittelbar angeht. Nicht nur nebenbei: Antike Mythen und Altes Testament sind aus dem Blickwinkel der Kunst bis zum Bersten mit Erotik angefüllt. Da erweist gar ein Mädchen dem ins Gefängnis gesperrten Vater ihre Tochterliebe, indem sie ihm die entblößte Brust zum Saugen reicht.

Schwarz in vielen Schattierungen

Wer das „Männliche Bildnis“ des Frans Hals sieht, muß sogleich begreifen, warum gerade dieser Künstler berühmt werden mußte. Wenn einer es auf diese Weise vermag, nachtschwarze Töne in verschiedensten Schattierungen erstrahlen, ja geradezu diamantenhaft gleißen zu lassen, gehört er eben zu den Allergrößten seiner Zunft.

Überragende Meisterschaft verrät auch jener „Männliche Studienkopf“ von Peter Paul Rubens, eigentlich bloße Vorübung zu einem größeren Altarbild und doch in sich vollendet. Das zerklüftete Gesicht des Greises tritt in grandioser Lebendigkeit hervor. Und man versteht: Rubens war keinesfalls nur ein Mann der großmächtigen dramatischen Effekte, sondern einer, der auch das intime Detail leuchten lassen konnte.

Rembrandts „Traum des heiligen Joseph“ vergegenwärtigt den Moment, in dem der Engel Joseph zur Flucht nach Ägypten überredet. Das Bild ist, auch wegen einer Anstückelung, inzwischen so fragil geworden, daß es als einziges unter Glas gezeigt werden muß. Dennoch kann man lange darin schwelgen: in den ungeheuer feinen Abstufungen goldbrauner Farbklänge, in der unmittelbar eingängigen Bildkomposition…

Wollust des Farbwechsels

Die italienischen Vorbilder werden freilich bei den weniger prominenten Malern wie Salomon Adler, Johann König, Jacob de Heusch oder Jan Lievens oft deutlicher. Da flammt zum Beispiel eine drastische Genreszene wollüstig in „venezianischen“ Farben auf. da werden komplette Bildschemata von Raffael übernommen und mit anderen Figuren gefüllt, oder es legen sich die harten Schlagschatten nach Art eines Caravaggio auf die Gestalten.

Ja, wenn der Norden den Süden nicht hätte! Dann wären Bilder und Gemüter finsterer.

„Rembrandt, Rubens, Van Dyck… – Italiensehnsucht nordischer Barockmaler“. Von der Heydt-Museum. Wuppertal-EIberfeld (Turmhof 8). 30. Juli bis 24. September, Di-So 10-17 Uhr, Do 10-21 Uhr. Eintritt 15 DM, Katalog 38 DM.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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