Im Gasometer Oberhausen die Geschichte des Reviers erleben – Ausstellung „Feuer und Flamme“ mit rund 1000 Exponaten

Von Bernd Berke

Möchten Sie’s erleben, daß Ihnen einmal das halbe Ruhrgebiet zu Füßen liegt? Da gibt es mindestens zwei Möglichkeiten: Hinauf auf den Dortmunder Florianturm – oder mit dem gläsernen Fahrstuhl (nur für Schwindelfreie) zum zehnten Stock des Gasometers in Oberhausen.

Welch ein Fernblick bei klarem Wetter! Noch schöner: Im Bauch dieses stählernen Riesen gibt es – unter dem Titel „Feuer und Flamme“ – die große Ausstellung zur Geschichte der Region.

Die Schau „Feuer und Flamme“ war in fast identischer Zusammenstellung 1994 zu sehen und hat 200 000 Besuche? angelockt. Dann war aus konservatorischen Gründen Winterpause. Und nun ist alles, alles wieder da. Die Ausstellung ist mit rund 1000 Exponaten so umfassend und interessant, daß man sie ausgiebig besuchen sollte.

Beim längeren Aufenthalt empfiehlt es sich, den 117 Meter hohen Giganten mit passender Kleidung zu betreten: Ist es draußen eine Zeitlang kalt gewesen, friert man drinnen erst recht. Also: Jacke mitnehmen. Umgekehrt ist es bei einer Wärmeperiode. Dann heizt sich das Innere des Gasometers alsbald mächtig auf.

Und was gibt es zu sehen? Man kann beispielsweise einen Streifzug durch das Revier von vorgestern unternehmen, als es noch Wald- und Wiesenlandschaft war. Eine komplette Bahnfahrt von Dortmund bis Oberhausen per Videofilm ist ebenso möglich wie das Schwelgen in der Vereinshistorie von Schalke 04 und des gerade überschwenglich gefeierten neuen Deutschen Meisters Borussia Dortmund.

Im Mittelpunkt steht aber die schwerindustrielle Phase mit Kohle, Stahl und Eisenbahn. Hier überwältigt nicht nur die Einzelgröße mancher Ausstellungsstücke, sondern auch die Gruppierung: Da sieht man eben nicht nur einen Preßluft-Abbauhammer, sondern gleich ein ganzes „Rudel“. Selbst ein so banales Ding wie ein Ascheeimer wird zum ästhetischen Ereignis, wenn man 250 Exemplare so arrangiert findet wie hier.

Auch die „Klassenkämpfe“ (Titel einer Sektion) im Revier werden breit dargestellt – von den großen Bergarbeiterstreiks um Lohn und Brot bis zur Entschärfung der Lage durch Konsum für breitere Schichten.

Weitere Abteilungen zeigen Dokumente aus beiden Weltkriegen, zur NS-Zeit und zur Judenverfolgung im Ruhrgebiet. Besonders erschütternd ist es zu sehen, was in vertrauter Nähe geschehen ist. So zeigt ein heimlich aufgenommenes Foto jüdische Bürger, die auf dem Dortmunder Eintracht-Sportplatz zur Deportation zusammengetrieben wurden.

Rund um den Gasometer, nahe den Gestaden von Emscher und Rhein-Herne-Kanal, läßt sich der zuweilen brachial betriebenen „Umbau“ des Reviers idealtypisch besichtigen. Da gibt es einerseits weitläufige und schäbige Industriebrachen, andererseits wird hier mit erheblichem Aufwand die umstrittene „Neue Mitte Oberhausen“ aus dem Boden gestampft. Und im Schatten des Gasometers liegt die vorbildlich erhaltene Grafenbusch-Siedlung. Die Bewohner dieser Straßenzüge leiden allerdings unter dem Andrang der Ausstellungsbesucher. Daher sollte man auf jeden Fall die ausgeschilderten Parkplätze ansteuern und sich nicht noch näher mit dem Wagen an den Gasometer heranpirschen wollen.

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Tips und Informationen zum Gasometer

  • „Feuer und Flamme – 200 Jahre Ruhrgebiet“ im Gasometer Oberhausen (unübersehbar an der A 42. Abfahrten OB Osterfelder Straße oder OB-Zentrum). Kostenloser Parkplatz Am Kaisergarten, Essener Straße; weiterer Parkplatz am Gasometer kurz vor der Fertigstellung. Haltestelle Schloß Oberhausen).
  • Ausstellung bis 15. Oktober, täglich 10 bis 20 Uhr. Eintritt: Erwachsene 9 DM (ermäßigt 6 DM), Familien 15 DM. Katalog 29,80 DM – Infos über Telefon 0208 / 63 35 38 (Ausstellungsbüro am Gasometer).
  • Auch in der direkten Umgebung des Gasometers kann man etwas unternehmen: Im Kaisergarten (schräg gegenüber; rund um das sehenswerte Schloß Oberhausen, das regelmäßig Kunstschauen bietet) läßt es sich herrlich spazieren. Auf diesem Gelände befindet sich auch ein Tiergehege. Aber man muß nicht einmal die Straßenseite wechseln: Ein Biergarten am Gasometer lädt zum Verweilen ein, und ganz in der Nähe gibt es ein idyllisches Bootshaus, man gleichfalls Erfrischungen zu sich nehmen kann.
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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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