Lothar Kampmanns souveräne Kurzel – scheidender Dortmunder Kunstprofessor stellt aus

Von Bernd Berke

Dortmund. Mit dem Kohlenzug fuhr Lothar Kampmann 1946 von Dortmund nach Hamburg, um dort eine Theateraufführung zu sehen. Auf der Reise durchs zerstörte Deutschland entstanden Zeichnungen, die das düstere Menschenelend jener Zeit ahnen lassen: „Die Blinden“, „Die Tauben“, „Die Stummen“. Die drei Blätter setzen jetzt starke Akzente bei einer Ausstellung im Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte.

Zeichnungen und Kleinplastik des langjährigen Dortmunder Kunstprofessors Kampmann (der 60jährige erhielt am Donnerstag seine Ruhestandsurkunde) aus den Jahren 1945-85 sind zu sehen. Alle 160 Exponate stammen aus Kampmanns Atelier-„Schubladen“.

Bevorzugt arbeitet Kampmann mit Rohrfeder und Tusche. Geradezu „manisch“ (so er selbst) stellt er zum einmal gefundenen Thema serienweise Variationen her, „bis ich mir die Feder untertan gemacht habe“. In diesem Stadium „sitzt“ jeder Strich. Manche Zeichnung ist dann, so der Künstler, „in einer Minute fertig“.

Der Prozeß ist anhand einiger Exponate sehr gut zu verfolgen. Sind zu Beginn einer Serie die Figuren meist noch filigran ausgearbeitet, so werden sie dann immer kürzel- und zeichenhafter umrissen. In ihrer souveränen, lakonischen „Selbstverständlichkeit“ erinnern diese Blätter zuweilen an japanische Tuschzeichnungen. So zeigen etwa zwei Arbeiten aus der Serie „Schaukeln“ nur noch schwindelerregende Bewegungsmuster.

Im Mittelpunkt von Kampmanns Schaffen steht die menschliche Figur, besagte Blätter von 1946 deuteten die Richtung bereits an. Landschaften und Gegenstände dienen nur als Staffage. Kampmanns Serie „Liebesbilder“ ist ein neuerer Beleg.

Der Kampmann-Überblick wird am Sonntag um 11 Uhr eröffnet und dauert bis 3. November. Vielleicht profitiert er von der Magnetwirkung der „Aktfoto“-Ausstellung im selben Hause (nach knapp einer Woche fast 10 000 Besucher).

Übrigens: Lothar Kampmann, der in Kamen-Methler ein Atelier und eine Schmiede hat, will auch im Ruhestand nicht rosten. Gegenwärtig entwirft er im Auftrag der Stadt Kamen das Konzept für eine kommunale Kunstschule, die Handwerkslehrlingen eine künstlerische Zusatzqualifikation vermitteln soll.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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