Von Bernd Berke
Mit Pauken und Trompeten hatte der Kommunalverband Ruhrgebiet (KVR), der den Anstoß zur groß angelegten „Belichtung des Reviers“ gegeben hatte, dieses Buch schon Monate vor dem Erscheinen angekündigt. Eins ist klar: Es ist das Revierbuch dieses Herbstes, an dem die meisten, nämlich 72 Fotografen aus aller Welt, beteiligt sind. Und es ist das Revierbuch, dessen Fotos in der kürzesten Frist, nämlich am 24. Mai 1985 zwischen 0 und 24 Uhr, entstanden sind.
Jedoch: Spektakuläre Rekorde allein reichen nicht aus. „Das Fotoereignis“ – so lautet der stolze Untertitel des Bandes. Kein Zweifel, es finden sich unter den 600 Ablichtungen zahlreiche gelungene, sogar der eine oder andere Geniestreich. Im Ganzen aber hat der Zufall die Oberhand behalten – und das ist auch kein Wunder bei 72 so unterschiedlichen Fotografen-Temperamenten, kein Wunder auch, weil die meisten ohne näheren Bezug, sozusagen „unvorbereitet, wie sie sich hatten“, aufs Revier gestoßen sind (bzw. gestoßen wurden).
Immerhin sorgen derlei Zufall und Spontanität auch dafür, daß eine breite Palette des Lebens im Revier erfaßt wird. Durch Industrie zerstörte Teile der Landschaft werden nicht schamhaft bemäntelt, die Arbeitswelt zwischen Kohle und Computer spielt ihre gebührende Rolle, die Freizeit zwischen Disco, Schrebergarten, Fußballplatz und Freibad ebenso.
Vor allem einige Menschenbilder prägen sich ein. Hier hatte die Spontanität wirklich ihr Gutes: Es gab kaum Zeit für Vorbereitungen und damit kaum Gelegenheit, Szenen oder Porträts auszuklügeln und zu „stellen“. Menschen des Reviers (Arbeiter, Künstler, Hausfrauen, Schüler, Politiker, Wirtschaftsführer) scheinen sich den von auswärts angereisten Fotografen unmittelbarer erschlossen zu haben als das oft verwirrend strukturlose Konglomerat der Stadtlandschaft.
„24 Stunden Ruhrgebiet“. Reise- und Verkehrsverlag, München, 280 S., ca. 600 (meist farbige) Fotos. Begleittexte von Ralf Lehmann. 98 DM.