„Dantons Tod“: Die Revolution als Kasperltheater

Von Bernd Berke

Wuppertal. „Dantons Tod“ ist von der ersten Szene an eine Tatsache, die nur noch nicht ganz eingetreten ist.

Der ehedem revolutionäre Melancholiker verbirgt sich vor der elenden Schreckensherrschaft Robespierres unter Julies weißem Rock – und der ist schon ein symbolisches Leichentuch. Mit Georg Büchners Stück, dessen Untertitel „Die Revolution frißt ihre Kinder“ lauten könnte, eröffnete das Wuppertaler Schauspielhaus die neue Spielzeit.

Von „Revolution“ ist nichts mehr zu spüren in Ulrich Greiffs Inszenierung. Robespierres Guillotinen-Terror, im Namen einer genußfeindlichen „Tugend“ rasend geworden, hat nicht nur die politische Vernunft, sondern die ganze Realität ausgelöscht. Simon (Holger Schamberg) hockt, dem Publikum zugewandt, wie ein Shakespearscher Narr in seinem Souffleurkasten und pocht – zum Ersten, zum Zweiten, zum Letzten – die Stationen des Unaufhaltsamen ab. Ausverkauf der Utopie.

Die Bühne (Einrichtung: Wolf Münzner) ist diagonal geteilt. Vom rechts spielen sich die traumwandlerischen Szenen aus Dantons Sphäre ab, hinten links gibt ein zweiter Vorhang sodann den Blick aufs „Volk von Paris“ frei. Rund 160 Statisten nennt das Programmheft. Sie haben keinen echten Aktionsraum, sondern verharren meist auf einer riesigen schwarzgrauen Treppe, die schräg in die Bühne hineinragt und so beengend ist, wie das ganze Konzept dieser Aufführung.

Dieses Volk ist in erster Linie tumbes „Beifallsvieh“, die Revolution ein Kasperltheater: Wer immer von den Führern „Seid ihr auf meiner Seite?“ ruft, kann alsbald mit einem vielstimmigen „Ja“ rechnen.

Alles nur Traum und Theater also. Und so erlebt man auch Szenen künstlicher Erstarrung, die nur hin und wieder weiterrücken, um dann gleich wieder einzurasten. Triebkräfte gibt es da nicht. Alles, was geschieht, „geschieht eben“.

Die Revolution ist längst keine mehr. Danton soll geopfert werden, um das hungernde Volk noch einmal anzustacheln. Heiner Stadelmann spielt den „Danton“ als schwerblütigen Fatalisten, der seinen letzten Antrieb, die Früchte der politischen Umwälzung genußreich zu verzehren, freilich nicht recht glaubhaft machen kann. Lebendig darf er nicht sein, nur kurze Augenblicke des Aufloderns kann er zeigen. Eine schwierige Rolle. Siegfried Maschek gibt Dantons Widersacher Robespierre als vereinsamten Demagogen. Insgesamt bietet das Ensemble eine geschlossene Leistung. Ohne schlimme Schwachpunkte, aber auch ohne Szenen, die wirklich betroffen machen könnten. Trotzdem: orkanartiger Beifall.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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