Aus dem Kriegsgebiet ins Bonner Landesmuseum: „Frühe Phöniker im Libanon“

Von Bernd Berke

Bonn. Im 14. Jahrhundert vor Christus bebte im heutigen Libanon die Erde. In einem Haus sackte der Fußboden ab, drei Bewohner stürzten in den Keller. Ein Teil ihrer Habe, damals ebenfalls unter Schutt begraben, ist (neben anderen, unschätzbar wertvollen Stücken), seit gestern in Bonn zu besichtigen.

Die Ausstellung „Frühe Phöniker im Libanon“ darf trotz ihrer Überschaubarkeit (etwa 130 Exponate) als Großereignis gelten: Seit 1963 gruben bis zu 18 Mitarbeiter im Namen des Instituts für Vor- und Frühgeschichte der Uni Saarbrücken auf dem Tell Kamid el-Loz (südlich der Straße von Beirut nach Damaskus). Sie stießen auf einem Palast, einen Tempel und sogar auf eine Art „Stadtarchiv“. Die Funde aus diesen Gebäuden werden jetzt erstmals öffentlich gezeigt.

Gäbe es den Libanonkrieg nicht, wäre eine solche Ausstellung in der Bundesrepublik undenkbar. Weil aber die Stücke in den Wirren Beiruts nicht sicher geborgen geschweige denn gezeigt werden können, übergaben die libanesischen Behörden das wertvolle Gut dem Saarbrücker Expeditionsleiter Prof. Rolf Hachmann, der es bis zu einem erhofften Friedensschluß im Nahen Osten treuhänderisch verwaltet und dann zurückgeben wird.

Was gibt es zu sehen? Funde aus der älteren Eisenzeit (etwa 1200-800 v.Chr.) und aus der Spätbronzezeit (etwa 1550-1200 v. Chr.): Schmuckgegenstände aus Elfenbein (zur Entstehungszeit gab es noch Elefanten im Grabungsgebiet); Statuetten, deren Züge weitaus lebendiger wirken als die der stilisierten ägyptischen Gegenstücke. Außerdem Gefäße aus Glas, Krüge und Öllampen aus Ton, einige elfenbeinerne Spielbretter (bevorzugtes Spiel der Phöniker unbekannt), Dosen in Entenform, Teile eines Schuppenpanzers und, und, und…

Rolf Hachmann, der in Bonn nur einen Bruchteil seines „Lebenswerks“ (17 Grabungskampagnen in 20 Jahren) zeigen kann, nimmt die Phöniker – lateinisch inspirierte Lesart: Phönizier – „in Schutz“: „Dieses Volk hat eigenständigere Formensprache entwickelt, als dies bisher geglaubt wurde. Die Phöniker haben Anregungen aus Ägypten und Mesopotanien zwar aufgenommen, aber auch weiterentwickelt.“ Die als Handelsgenies („Großversand des Mittelmeerraums“) und Erfinder der Lautschrift bekannt gewordenen Phöniker „haben auch nicht, wie man früher annahm, nur entlang der Küste gesiedelt, sondern auch im Landesinneren.“ Vermutliche Staatsform: lokale, auf kleine Siedlungen beschränkte Königtümer.

Professor Hachmann ist auch nach 20 Jahren nicht immer ungefährlicher Grabungs-Kampagnen unverdrossen: „Im März machen wir weiter, falls es die politische Lage zuläßt.“

„Frühe Phöniker im Libanon“, Rheinisches Landesmuseum Bonn, Colmantstraße, bis 22. Januar 1984 (danach u. a. in Berlin und München), Katalog 20 DM.

image_pdfPDF öffnen / Open PDFimage_printDrucken / Print
Visited 21 times, 1 visit(s) today

Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
Dieser Beitrag wurde unter Geschichte, Wissenschaft abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.