Die „neue“ WAZ: Mal wieder gründlich aufgeräumt

Wenn sich die WAZ, die größte Zeitung des Ruhrgebiets, nach rund zehn Jahren ein neues Erscheinungsbild verpasst, so ist das schon ein regionales Thema. Wie will das altgediente Blatt in aufgefrischter Form wohl wirken?

Erscheinungsbild nach Relaunch: heutige Ausgabe der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ).

Allererster Eindruck: Die WAZ sieht jetzt ungefähr so aus wie gefühlt 60 Prozent der bundesdeutschen Gazetten, die man so kennt. Luftiges Erscheinungsbild, praktisch kein Fettsatz mehr, kaum noch aufdringliche Farb-Elemente, also nicht marktschreierisch, mithin betont seriös. Selbst häufig wiederkehrende Kleinigkeiten wie die Autorenzeilen sind verändert worden (kein „Von“ mehr vor den Namen). Ob derlei Entschlackung auch immer zum Stil dieser Zeitung und zu den Inhalten passt, ist eine andere Frage.

Für die Überschriften hat man eine schlanke, magere Typographie gewählt. Effekt: Auch „harte“ Nachrichten kommen visuell nicht mehr so streng und wuchtig daher, sondern so, wie man es früher im Feuilleton vermutet hätte, eher leichthin und spielerisch also. In den alten Kohle-Zeiten des Reviers waren die Hände nach der WAZ-Lektüre bisweilen schwarz von der Druckfarbe. Heute ist das völlig anders. Man könnte fast meinen, dies sei gar nicht mehr die Westdeutsche Allgemeine, sondern ein geklontes, etwas steriles und nicht mehr gar so handfestes Produkt.

Nun ist ein neues Layout mitsamt veränderter Schriftgestaltung allerdings stets Gewöhnungssache. Bei der Westfälischen Rundschau (WR) hatten wir einen solchen Relaunch alle paar Jahre. Es gab und gibt gewisse Layout-„Päpste“, die in recht kurzen Abständen immer wieder andere Features zur zeitgemäßen Optik hochjazzen – und wahrlich nicht schlecht daran verdienen. Immer aber heißt es hernach, die Zeitung wirke nun „aufgeräumter“ und lesefreundlicher als vorher. Bis dann alles wieder anders aussehen muss. Und so weiter.

Mit leichtem Bauchgrimmen erinnere ich mich an eine solche Maßnahme, in deren Gefolge der damalige WR-Chefredakteur uns Redakteurinnen und Redakteure im Konferenzraum an eine Batterie von Telefonen setzte, auf dass wir den Unmut weiter Teile der Leserschaft beschwichtigen sollten. „Rufen Sie uns an!“ Was man da alles zu hören bekam! Da drohte so mancher eherne Westfale, er werde nicht nur selbst abbestellen („Wenn der Schwachsinn morgen nicht aufhört“), sondern auch alle Mitglieder seines Vereins etc. zum selben Schritt bewegen.

In diesem Sinne: Beste, mitfühlende Grüße an die Kollegenschaft, die ja auch mit neuen Computerbefehlen und sonstigen Regeln klarkommen muss. Der Redaktör hat’s manchmal schwör, die Redaktörin nicht minder.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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1 Antwort zu Die „neue“ WAZ: Mal wieder gründlich aufgeräumt

  1. Lothar Giebels sagt:

    Die neue Schriftart erinnert an die NRZ.
    Musste mehrmals zur Hauptseite zurückblättern.
    Ist das wirklich meine WAZ?
    Na ja, es gibt wichtigeres!
    Mir gefällt’s nicht!

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