Das neue Kurz-Sprech: „Kann das Müll?“

Vor einigen Tagen überraschte ich mich und meine Familie mit einer für alle ungewöhnlichen Frage: „Kann das Müll?“ Die Präposition „in“ und den Artikel „den“ hatte ich einfach geschlabbert, unbeabsichtigt, unbewusst. „Und so sprichst Du als Germanist“? empörte sich meine Gattin. Ja. Leider.

Verliert offenbar weiter an Einfluss: der Duden.

Verliert offenbar weiter an Einfluss: der Duden.

Werbung und Alltagshören hat wohl doch größeren Einfluss auf unser Sprechen als die Schulerziehung in Kindertagen. „So muss Technik“ schallt es uns – grammatisch falsch – aus dem Fernseher entgegen, und neulich in der Bahn von Düsseldorf nach Hagen hörte ich einen Jugendlichen in sein Handy rufen: „Nach Schule lauf isch Elberfeld“.

Spätestens seit dem Linguisten Noam Chomsky wissen wir aber, dass unvollständiges oder vom Soziolekt geprägtes Sprechen den gleich großen Kommunikationswert haben kann wie die gerühmte Hochsprache. Man muss sich nur von Vorurteilen befreien. Sprache ist immer in Bewegung, und was letztlich die Mehrheit der Sprachnutzer anwendet, das wird sich irgendwann auch als richtig durchsetzen. Da kann die Duden-Redaktion noch so sehr dagegen ankämpfen.

Übrigens hatten schon die alten Römer ein ähnliches Problem: Der gute Cicero, ein gebildeter Mann, ließ sehr gern Wortteile oder Hilfsverben weg und quält mit dieser Vorliebe noch heute so manchen Lateinschüler. „Lern isch Vokabeln später“, sagt sich der Kurz-Sprecher dann.

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Über Hans Hermann Pöpsel

Historiker und Germanist. Pensionierter Redakteur
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5 Antworten zu Das neue Kurz-Sprech: „Kann das Müll?“

  1. Michaela sagt:

    @Hans H. Pöpsel: Jajaja, das weiß ich doch. Es sollte ein witziger Beitrag sein.
    Die Mitschüler übrigens bogen sich vor Lachen (und sie selber auch!), als ich der jungen Dame „androhte“, ihrer Freundin zu petzen, was sie von ihr hielt. Fazit: Auch die Kurz-Sprech-Benutzer wissen im Grunde (meist), wie es richtig heißen müsste.

  2. Bernd Berke sagt:

    Wie schon an anderer Stelle geäußert: Ich bin strikt dagegen, freiwillig das Terrain zu räumen und sich mit dem Schwund einfach abzufinden. Widerstand gegen Sprachmüll – bis zum letzten Buchstaben! 😉

  3. Hans H. Pöpsel sagt:

    Die Antwort mag zwar fragwürdig sein aus der Sicht einer Hochsprache-Sprecherin, aber jeder Zuhörer hat verstanden, was das Mädchen sagen wollte. Insofern war der Kommunikationswert gleich.

  4. Michaela sagt:

    Auf meine Frage an eine 8. Klasse zu Beginn der Stunde, wo denn eine Mitschülerin sei, antwortete ein Mädchen: „Die ist Klo!“ In solchem Fall finde ich die Kommunikation doch recht fragwürdig.

  5. Werner Häußner sagt:

    Lieber Kollege Pöpsel,

    sind Sie sicher, dass der Kurz-Sprecher das Wort „Vokabeln“ wirklich beherrscht? 😉

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