Schlagwort-Archive: Ödön von Horváth

Horváth in der Kühlkammer – Karin Henkel serviert die „Geschichten aus dem Wiener Wald“ in Bochum eiskalt

Kälte, Grusel, Fleischerhaken: Szene aus Karin Henkels Bochumer „Wiener Wald“-Inszenierung. Foto: Lalo Jodlbauer

Diese Menschen haben keine Seele. Wie Untote geistern sie durch die grau-triste Szene, erweckt aus langer Kältekammererstarrung, ins Leben gezerrt inmitten eines Schlachthauses. Ihre Bewegungen sind mechanisch, die Mimik gleicht fratzenhafter Grimasse, die Sprache dieser Zombies ist gestelzt, künstlich. Manchmal wirkt das, als redeten Puppen, die zuvor mit einem Schlüssel hinterrücks aufgezogen wurden.

Dass mit solcher kalten Bildmacht Ödön von Horváths „Geschichten aus dem Wiener Wald“ zu einer frostigen Gruselnummer mutieren kann, dass dieses Volksstück, ins verstörend Abstrakte gewendet, wie ein aus dem Ruder gelaufenes Laborexperiment aussieht, zeigt uns Karin Henkel im Bochumer Schauspielhaus. Von Gemütlichkeit ist das alles meilenweit entfernt, und „a scheene Leich“ gibt’s auch … Weiterlesen

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Spinxen erlaubt: das Dortmunder Ballett probt „G’schichten aus dem Wiener Wald“

Morbide Szene im Wiener Wald: Mark Radjapov als "Der Tod". Foto: Bettina Stöß

Morbide Szene im Wiener Wald: Mark Radjapov als „Der Tod“, mit Untoten. Foto: Bettina Stöß

Theaterproben anschauen, das Unfertige also beäugen, um daraus möglicherweise zu schließen, wie denn die komplett erarbeitete Produktion einmal aussehen wird, hat etwas von der Eigenart, dem Koch in die Töpfe zu gucken. Da brodelt oder brutzelt etwas, und vielleicht wird’s ja eine gute Suppe oder ein saftiges Steak.

Das Lupfen des Vorhangs, um Einblick zu gewähren, was denn passiert, bevor sich zur Premiere eben jener Vorhang hebt, hat manches Opern- oder Schauspielhaus zu seiner Maxime erhoben. Gewissermaßen als geschickter dramaturgischer Akt, das Publikum ans Theater zu binden. Und siehe: Neugierige gibt es genug. Sie wollen mehr als nur konsumieren, wissen, was dahinter steckt.

Gleichwohl existiert … Weiterlesen

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In finsteren Zeiten – „Jugend ohne Gott“ nach Ödön von Horváth am WLT in Castrop-Rauxel

Von Bernd Berke

Castrop-Rauxel. Gewiß doch: Die Weißen seien den Schwarzen wohl überlegen. Freilich: „Auch die Neger sind Menschen“, schränkt der Geschichtslehrer verschämt ein. Genug. Das reicht. Schon beschweren sich die Eltern der Schüler über die „Humanitätsduselei“, schon fordern die Pennäler eine andere Lehrkraft von deutschnationalem Schrot und Korn.

Wahrlich, sie lebten in finsteren Zeiten: 1937 schrieb Ödön von Horváth den Roman „Jugend ohne Gott“, eine wie mit dem Seziermesser vollführte Freilegung alltäglicher Verhaltensweisen im Totalitarismus. Die illusionslos knappe und klare Prosa eignet sich wegen der vielen Dialoge bestens für eine Bühnenumsetzung.

Metallische Töne im Studio des Westfälischen Landestheaters (WLT): Sechs frei hängende, plattgewalzte Stahl-Rechtecke beherrschen die karge Bühne. Schlagen oder treten die Schauspieler vor diese Bleche, so hört man … Weiterlesen

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„Kasimir und Karoline“ schleichen über den Rummelplatz

Von Bernd Berke

Essen. Herrje, was konnte dieser Ödön von Horváth für herrliche, trefflich-knappe Dialoge schreiben! Wenn so einer heute fürs Fernsehen arbeiten würde… Horváths Stück „Kasimir und Karoline“ hatte jetzt in Essen Premiere. Kamen seine Qualitäten zur Geltung?

Das Stück erwischt seine Themen gleichsam im leichten Fluge und dennoch genau. Man müßte ein Wort wie „Tiefplauderei“ dafür erfinden.

Kasimir und Karoline sind ein Paar. Doch kaum wird der Chauffeur arbeitslos, wendet sich die aufstiegswillige Bürokraft leichtfertig dem Schnösel Schürzinger zu, der sie wiederum zwecks eigener Karriere seinem Chef, dem Kommerzienrat. zeitweise überläßt. Liebesbedürfnis reckt sich nach Geld, Geld kauft sich Liebedienerei. Dieser Reigen aus den 30er Jahren liegt uns nicht fern.

Doch was hat man nur in Essen – … Weiterlesen

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Totentanz und Trauermarsch – Horváths „Glaube Liebe Hoffnung“ in Bochum

Von Bernd Berke

Rostrote Häuserwände, Fenster wie Totenaugen; darüber ein fahlgelber Himmelsausriß. Die freudlose Gasse (Bühnenbild: Susanne Raschig) ist in Bochum Schauplatz von Ödön von Horváths Totentanz „Glaube Liebe Hoffnung“.

Zu Chopins Trauermarsch zieht eine aus, die Hoffnung zu verlernen: Elisabeth (Martina Krauel) betritt die Bühne voller Zuversicht, mit „Kopfhoch-Mentalität“. Doch sofort bricht sie zusammen. Ein stummer Prolog, der ihr Schicksal vorzeichnet.

Von bedrohlicher Unwirklichkeit die nächste Szene: Dem anatomischen Institut will Elisabeth ihre Leiche im voraus vermachen – und sofort 150 Mark kassieren. Im Elend der Wirtschaftskrise (das Stück wurde 1932 geschrieben) ist Elisabeth auf einen Wandergewerbeschein angewiesen. Aber die Gebühr dafür bekäme sie nur durch Arbeit, die dieser Schein ja erst ermöglichen soll – Teufelskreis der Gesetze, in … Weiterlesen

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Horváths Nazis als Hampelmänner

Von Bernd Berke

Wuppertal. Das Stammlokal der Republikaner ist Schauplatz politischer Machtkämpfe. Die NS-Horden haben hier schon mehr als nur den Fuß in der Tür. Ausgerechnet hier wollen sie ihren „Deutschen Tag“ begießen. Noch dazu an }enem Abend, an dem auch die „Italienische Nacht“ der Demokraten steigen soll. Besorgt um seinen Schweinebraten-Absatz, gibt der Wirt allen eine Zusage.

Kaum haben die Nazis ihre Krüge geleert, heißt es also hastig die Tischfähnchen auswechseln (schwarzweiß-rot raus, schwarz-rotgold rein) – und schon wiegen sich die Demokraten in der Illusion, es „denen wieder mal gezeigt zu haben“.

Ödön von Horváths „Italienische Nacht“, uraufgeführt 1931, gehört auf die Spielpläne. Marx ohne Freud ging schon damals nicht mehr: Das Stück erhellt die innige Verschränkung von Politik … Weiterlesen

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