Von Bernd Berke
Rostrote Häuserwände, Fenster wie Totenaugen; darüber ein fahlgelber Himmelsausriß. Die freudlose Gasse (Bühnenbild: Susanne Raschig) ist in Bochum Schauplatz von Ödön von Horváths Totentanz „Glaube Liebe Hoffnung“.
Zu Chopins Trauermarsch zieht eine aus, die Hoffnung zu verlernen: Elisabeth (Martina Krauel) betritt die Bühne voller Zuversicht, mit „Kopfhoch-Mentalität“. Doch sofort bricht sie zusammen. Ein stummer Prolog, der ihr Schicksal vorzeichnet.
Von bedrohlicher Unwirklichkeit die nächste Szene: Dem anatomischen Institut will Elisabeth ihre Leiche im voraus vermachen – und sofort 150 Mark kassieren. Im Elend der Wirtschaftskrise (das Stück wurde 1932 geschrieben) ist Elisabeth auf einen Wandergewerbeschein angewiesen. Aber die Gebühr dafür bekäme sie nur durch Arbeit, die dieser Schein ja erst ermöglichen soll – Teufelskreis der Gesetze, in dem sie schuldlos schuldig wird.
Elisabeth kaspert anfangs herum, Clownin mit aufgeschminktem Optimismus, ihr blaues Käppi leuchtet Hoffnung. Doch dann beginnt ihr Leidensweg durch eine fühllose Macht- und Männerwelt, die Horváths Dementi zum Trotz, viele satirisch-überspitzte Seiten hat.
Diesmal keine durchweg düstere Veranstaltung in Bochum: Benjamin Korns Regie kostet komische Momente aus, treibt manche Szenen gar zur Klamotten-Turbulenz voran, als sei’s ein Stück von Sean O’Casey. Da bleibt das Lachen oft nicht, wie jene abgenutzte Formel lautet, „im Halse stecken“.
Doch schon die Schweigepausen des Stücks reißen abgrundtiefe Gräben zwischen den Personen auf. Und fast überfallartig, also desto stärker, wirken dann die tragischen Szenen. In schmerzhafter Wortlosigkeit hat die Inszenierung, hat auch die Hauptdarstellerin der Elisabeth ihre allerstärksten Momente: Wie Martina Krauel, als alle Hoffnung geschwunden ist, in ein stummes Lachen ausbricht – das ist greifbar der grelle Wahn, Vorbote ihres Selbstmords. Dichte Studie der Verzweiflung auch, wenn sie im unsichtbaren Kerker der Verhältnisse (zwischen Männern auf der Polizeiwache) als Gefangene taumelt.
Keine „Ausfälle“ im Ensemble, ganz im Gegenteil: Nicole Heesters z. B., als geldgierige Geschäftsfrau Irene Prantl – sie „hat es“ (und uns) sofort, als müsse sie sich ihre Wirkung gar nicht erst erspielen, als wirke sie durch bloße Präsenz. Bemerkenswert auch Peter Roggisch als Präparator. Prasselnden Beifall gab’s (auch für die Regie), für Martina Krauel verdiente Bravos.