Bis an die Grenzen der Sichtbarkeit – Bilder und Neon-Arbeiten von Günter Dohr in Lüdenscheid, Wilnsdorf (und Dortmund)

Von Bernd Berke

Lüdenscheid/Wilnsdorf. „Es werde Licht!“ dachte Günter Dohr, als er 1969 mit zehn Kollegen den gesamten „Ruhrschnellweg“ zwischen Duisburg und Dortmund künstlerisch markieren wollte. Doch der Neon-Künstler und all die anderen kamen damals nicht zum Zuge. Das weltweit einmalige Projekt wurde, aus Gründen der Verkehrssicherheit, politisch gebremst.

Der in Duisburg lebende Dohr (56) indessen ist dem flüchtigen Wesen des Lichts treu geblieben. In der Stadtgalerie Lüdenscheid wird jetzt ein Ausschnitt aus seiner neuesten Produktion gezeigt: Licht-Malerei, die aufs Innigste mit seinen Neon-Objekten zu tun hat.

Mit Acrylfarbe in den Tönen „Lascaux Oxidschwarz“ und „Titanweiß“ erzielt Dohr eine Vielfalt von Wirkungen, die sich keinesfalls in buchstäblichem Schwarz-Weiß erschöpfen. Die lichten Erscheinungen, mit Wasser schlierenhaft aufgehellt, schimmern zuweilen nicht nur in allen Graustufen, sondern auch bräunlich oder bläulich. Es ist. als entstiegen diese Farben dem puren Nichts.

Bekanntlich sind weder Schwarz noch Weiß veritable Farben, sondern eigentlich Rand- und Grenzphänomene der Sichtbarkeit. Genau da liegt ein geheimes Zentrum dieser Bildwelt, die sich dem Blick zugleich anbietet und sanft entzieht. Sehen oder Nichtsehen – das ist hier die Frage! Freilich: Nicht als Entscheidung pro oder kontra, sondern als gleitender Prozeß mit Zwischentönen.

Dohrs Bilder entstehen spontan, gleichsam in einem Anlauf. Da muß man vorher ziemlich genau wissen, was man will. Kalkül (und technisches Know-how) stecken noch deutlicher in Dohrs Neon-Objekten. Die ambitionierte Jordan Galerie in Wilnsdorf (bei Siegen) wirkt seit Mitte des Jahres in der Diaspora, fernab von allen Kunstzentren. Hier wird ein kleiner Querschnitt durch Dohrs Arbeiten der letzten Jahre gezeigt – willkommene Ergänzung zur Lüdenscheider Schau. Beispiel: Eine Neon-Installation im Gartenhaus bietet sich dem Betrachter immer wieder anders dar – von außen als einheitliche Farbfläche, von innen als Energiefeld im Widerstreit.

Überhaupt war es das Jahr des Günter Dohr. Gelsenkirchens Museum hat ihm eine Retrospektive ausgerichtet. Derzeit sind auch an zwei Dortmunder Stätten Dohr-Arheiten zu sehen: im Technologiezentrum und in der Galerie Voss (jeweils bis 20. Dezember).

Günter Dohr. Bilder 1992 – Städtische Galerie Lüdenscheid (Alte Rathausstraße). Ab sofort bis 17. Januar 1993, tägl. außer Mo. 11-18, Do. 11-20 Uhr // Günter Dohr: „Licht“, Jordan Galerie, Wilnsdorf/Siegerland (Breitenbachsfeld 7). Ab sofort bis 24. Januar 1993. Mi-Fr 12-18, So 10-13 Uhr.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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