Von Bernd Berke
Dortmund. Vorsicht! Wer zur Ausstellung „Stellproben“ (Eröffnung Sonntag, 11.30 Uhr; Dauer bis 12. Juni) ins Dortmunder Ostwall-Museum geht, könnte in einige Sinnfallen tappen.
Die Irritation beginnt gleich hinter dem Eingangsbereich. Vier nagelneue Exemplare einer bayerischen Marke lassen für einen Moment das Gefühl aufkommen, in einen Autosalon geraten zu sein. Doch die knallroten Fahrzeuge, noch dazu auf rotem Teppich, sind eine Installation und stammen aus der Ideenwerkstatt des Franzosen Ange Leccia, der schon bei der letzten „documenta“ die autombile Waren-Ästhetik in museale Umgebung verpflanzte; damals freilich bediente er sich der Stuttgarter Nobelmarke. Die vier Ostwall-„Schlitten“, die übrigens nur mit Mühe durch die schmalen Museumspforten paßten, wirken auf den ersten Blick wie ineinander verkeilt. Doch die vermeintliche Blockade täuscht. Alle könnten sogleich losfahren.
Die Verwirrung setzt sich – noch weitaus subtiler – damit fort. daß man noch nicht einmal ohne weiteres sagen kann, wieviele Künstler eigentlich an der Dortmunder Ausstellung beteiligt sind. Und das kommt so: „Four American Artists“ (vier amerikanische Künstler) lautet der Titel einer Folge von vier Räumen und eines schmalen Extra-Katalogs. Doch wer nun mit aufgesetzter Kennermiene behauptet, Werke von dem und jenem habe er bereits irgendwo gesehen, blamiert sich gründlich. Denn die vier US-Künstler gibt es gar nicht, sie sind allesamt eine Erfindung des Belgiers Guillaume Bijl. Für die perfekte Illusion einer US-Gruppenausstellung hat Bijl, der auf der nächsten Kunst-Biennale in Venedig verbreten sein wird, vier Künstler-Namen samt Phantom-Biographien ersonnen und sich vier „Stil-Masken“ aufgesetzt. Das funktioniert. Man mag kaum glauben, daß die Arbeiten (ein Raum zeigt z. B. minimalistische Kunst, der nächste pop-artistische Spiele mit „trivialen“ Objekten) von einem einzigen Künstler herrühren. Fehlt eigentlich nur noch, daß Bijl vier Konten fürs Künstlerhonorar einrichtet.
Sehr genau muß man auch bei dem in Düsseldorf lebenden Stefan Demary hinschauen, um nicht dem Trug zu verfallen. Er verfremdet im Detail: Da fährt ein Legostein-Auto gegen alle physikalisehen Gesetze durch eine Wand, ein Schachspiel besteht – nun spielt mal schön! – nur aus schwarzen Figuren, ein gepunkteter Hund stiert Wandflecken an, die so aussehen, als gehörten sie zu seinem Fell – und Kanzler Kohl trägt eine Zusatzbrille verkehrt herum.
Hinter diesen winzigen Manipulationen wirkt eine Installation des Belgiers Luc Deleu um so wuchtiger, gewaltiger. Wie von einer Gigantenfaust hingeschmettert: ein raumfüllendes Chaos aus Dutzenden von stehenden, liegenden, gestürzten Altglascontainern (man muß sich regelrecht an den grünen Dingern vorbeidrücken). Der Müllbehälter als Müll, als Wegwerf-Gegenstand. Übrigens: Besucher, so bitten die Museumsleute, sollten kein Altglas mitbringen. Eine weitere Idee konnte der Künstler aus finanziellen Gründen in Dortmund nicht verwirklichen, sie wird nur als Skizze auf dem Deleu-Katalog angedeutet. Burgzinnen vergleichbar, wollte der Belgier rund um das Dach des Ostwall-Museums 608 Verkehrszeichen (No. 205 = Gefahrenstelle) anbringen. Gar so schlimm ist es denn doch nicht: Das Museum ist kein gefährlicher Ort, es wirbelt nur ein bißchen unsere Sehgewohnheiten durcheinander.