Comic-Känguruh soll neue Leselust wecken – Zeltstadt auf der Frankfurter Buchmesse

Aus Frankfurt berichtet
Bernd Berke

Frankfurt. Ein Begriff, den man sonst eher vom Tourismus her kennt, soll jetzt auch zum Zauberwort in der Buchbranche werden: „Animation“. Anregung zum Lesen tut not.

Das „Zentrum Leseförderung“, die kleine, erstmals eingerichtete Zeltstadt auf der Frankfurter Buchmesse, fordert im Zeichen eines Comic-Känguruhs dazu auf, als Leser „große Sprünge zu machen“. „Im Beutel“ hat das Känguruh jede Menge Mitmach-Aktionen, mit denen vor allem bei Kindern und Jugendlichen Leselust geweckt werden soll.

Den Nachwuchs zum Lesen verlocken sollen vor allem Wechselspiele zwischen Texten und Bildern, ohne die man eben nicht mehr auskommt. Da werden zum Beispiel Texte theatralisch umgesetzt, Bilder mit Texten versehen, oder zu Texten passende Bilder erfunden und gemalt. Der Zweck heiligt viele Mittel: Eine der 35 Leseförderungs-Organisationen, deren Aktivitäten hier in geballter Form zusammenwirken, ist – man höre und staune – der Philatelistenverband, der anhand von Dichterporträts auf Briefmarken die Texte der Abgebildeten zur Debatte stellt. Etwas abseitig zwar, aber vielleicht lohnt auch solch ein Versuch.

Im Zelt nebenan produzierten Kinder schon gestern unter fachkundiger Anleitung munter ein eigenes Buch – vom Schreiben der Texte über Satz und Druck bis hin zum Verfahren der Buchbindung. Dagegen wirken Werbemaßnahmen wie Autorenlesungen, die gleichfalls in den Zelten stattfinden, geradezu konventionell. So wie es gestern den Anschein hatte, wurden die Aktionen in Saus und Braus in Anspruch genommen. Wer allerdings von dem Aktionsspektakel genug hatte, konnte sich in die „Lesehöhle“, sozusagen dem Zielpunkt aller Aktionen, zurückziehen.

All diese Anstrengungen, die der Börsenverein des Deutschen Buchhandels mit rund 200000 DM bezuschußt, begründet Klaus Kluge vom Börsenverein (und zugleich Chef in den Zeiten) damit, daß Lesen (Umfragen zufolge) von einer wachsenden Zahl von Menschen als die reinste Mühsal empfunden werde. Kluge nennt auch als Ziel der Aktionen: „Wir wollen, daß Lesen wieder Spaß macht!“ Einige Stände sind leider nur gut gemeint, aber nicht sehr gut gemacht: Sie beschränken sich auf die Ausgabe von Auswahllisten für Jugendliteratur. Schade auch, daß die (sicher auch notwendige) Leseförderung für Erwachsene viel zu kurz kommt. Der Volkshochschulverband, der seine Alphabetisierungs-Kampagne hatte vorstellen wollen, sagte kurzfristig ab.

DDR-Verlage mit Partnern in Österreich

Wohl weniger Probleme mit neuen Medien und ihren Folgen sowie mit der Leseförderung hat sicher die DDR. Dort ist das Problem eigentlich umgekehrt: Genügend Lesestoff zu produzieren und vorhandene Spielräume zu erweitern. Wie gestern auf einer Pressekonferenz der DDR-Verlage verlautete, werden in Kürze auch Umberto Ecos Bestseller „Der Name der Rose“ sowie vermutlich auch weitere Arbeiten des Philosophen Ernst Bloch in der DDR erscheinen. Zusammen mit Österreich will die DDR außerdem eine gemeinsame „österreichische Bibliothek“ mit literarischen Werken aus Vergangenheit und Gegenwart herausbringen. Das jedenfalls kündigten Verlagsvertreter aus Ost-Berlin gestern an. Darüber hinaus sollen in nächster Zeit Bücher von Autoren veröffentlicht werden, die früher in der DDR lebten. Dazu gehören Titel von Günter Kunert und Sarah Kirsch. Als Lizenzausgaben verlegt die DDR auch Werke von Botho Strauß, Siegfried Lenz, Martin Walser, Rolf Hochhuth und August Kühn. Zur Auswahl der Texte wurde betont, es sei wichtig, daß die einzelnen Arbeiten in das „Pro und Contra der literarischen Debatte paßten“.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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