Aus den Schatzkammern der Sultane – Pracht-Schau in der Villa Hügel mit vielen Leihgaben aus der Türkei

Von Bernd Berke

Essen. Für außerordentliche Prachtentfaltung waren die Ausstellungen in der Villa Hügel seit jeher gut. Üppige Querschnitte durch fremde Kulturen sind die „Spezialität des Hauses“. In diese Tradition reiht sich nun, als insgesamt 39. Schau seit 1953, der Überblick „Türkische Kunst und Kultur aus osmanischer Zeit“ ein (bis 27. Oktober, zweibändiger Katalog 38 DM).

Mehr als 500 Leihgaben aus aller Welt sind zu sehen. Zum ersten Mal überhaupt wurden auch (bisher fürs Ausland gesperrte) Kostbarkeiten aus der Türkei freigegeben. Insgesamt 40 Prunkstücke sind Leihgaben des Museums für Islamische Kunst und des kaiserlichen Topkapi-Palastes in Istanbul.

Das Zeitspektrum reicht vom 14. Jahrhundert, als Osman I. den Grundstein für das nach ihm benannte, lange im Kampf mit christlichen Staaten befindliche Weltreich legte, bis 1922, als der letzte osmanische Sultan abgesetzt wurde. Nicht in chronologischer Folge werden die Exponate gezeigt, sondern in fünf thematischen Untergruppen:

Es beginnt ganz oben in der Gesellschaftspyramide: Die Abteilung „Der Großherr und sein Hof“ vermittelt mit Kronjuwelen, prachtvollen Gewändern, einem Sultans-Thron und Palast-Modellen einen Eindruck von Ausgestaltung und Dekoration höchster Machtentfaltung.

„Die Moschee und das religiöse Leben“ werden, so gut dies anhand von stummen Zeugen geht, in der nächsten Abteilung lebendig. Keramiken belegen einen weiträumigen Kulturaustausch bis hin nach China, Fliesen und Bronzegeräte lassen persische und ägyptische Einflüsse erkennen.

„Das Heerwesen“ wird besonders durch sogenannte „Türkenbeuten“ dokumentiert – Gegenstände, die sich abendländische Herrscher vor allem 1683 (nach der erfolglosen Türkenbelagerung vor Wien) aneigneten. Waffen wie Bogen und Speere sowie ein Wesirzelt gehören zu diesem Teil der Ausstellung. Der nächste Teil ist dem „täglichen Leben“ gewidmet. Hier sind Gegenstände versammelt, die vornehmlich bei der Mittel- und Oberschicht in Gebrauch waren – von Kosmetik-Utensilien über Musikinstrumente, Teppiche und Badetücher bis hin zu kostbarem Kaffeegeschirr und zum Brautgewand reicht die Palette.

Den Abschluß bildet ein Überblick zur Buch- und Schriftkunst, der allein einen Besuch lohnt. Ganz nebenbei werden auch noch sämtliche Münzen gezeigt, die in sieben Jahrhunderten osmanische Zahlungsmittel waren.

Figürliche Darstellungen sind, weil im Islam lange Zeit strengstes Abbildungsverbot herrschte, generell höchst selten. Umso reicher entwickelt sind pflanzenartige Ornamentformen. Faszinierend ist dabei die stilistische Einheitlichkeit, die sich, aller Vielfalt der Erfindungskraft zum Trotz, über Jahrhunderte gehalten hat. Ein Randaspekt der Schau, Einflüsse türkischer Ornamentalkunst auf Mitteleuropa, würde eine eigene Ausstellung verdienen.

Mit der Ausstellung, die seither nur geringfügig verändert wurde, war kürzlich das viel gerühmte neue Museum für Kunsthandwerk in Frankfurt eröffnet worden. Dort stahl der Rahmen, jener erstaunliche Bau des Architekten Richard Meier, den türkischen Schätzen die Hälfte der Schau. In Essen sind sie sozusagen erstmals die alleinige Hauptsache. Im Gegensatz zum lichten Frankfurter Bauwerk belassen die abgedunkelten Räume in Essen den Gegenständen eine eindrucksvolle Aura von Geheimnis.

Der „Verein Villa Hügel e. V.“, der nach dieser Großschau in die „Kulturstiftung Rühr“ eingeht, zeigt die osmanische Pracht nicht ohne Hintergedanken: Womöglich, so die stille Hoffnung und der Tenor des Grußworts von Bundesaußenminister Genscher, werde mit dieser Ausstellung die Toleranz der Deutschen gegenüber den hier lebenden Türken befördert.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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