Von Bernd Berke
Recklinghausen. Der Rhythmus hat sich eingependelt: Alle zehn Jahre wieder gibt es in der Bundesrepublik eine Ausstellung äthiopischer Volkskunst, zu der vornehmlich Holz- und Metallkreuze gehören.
1963 fand (Schirmherrschaft: Heinrich Lübke und Haile Selassie) eine solche Exposition in der Essener Villa Hügel statt, 1973 war Stuttgart an der Reihe und jetzt Recklinghausen. Ab Sonntag sind in der dortigen Kunsthalle etwa 200 kostbare Kreuze aus einer westfälischen Privatsammlung erstmals öffentlich zugänglich.
Erstaunlich, daß bei diesem, auf den ersten Blick etwas abseitigen Thema keine eintönige Ausstellung herauskam. Überraschend die Vielfalt der Kreuzformen seit dem 16. Jahrhundert, wie sie so in keinem anderen Land der Welt zu finden sein dürfte. Da gibt es Vortrage-Kreuze für Prozessionen und solche zum Umhängen, die oft die einzige Habe ihrer ehemaligen Besitzer darstellten. Gegossene Stücke finden sich ebenso in den Vitrinen wie handgeschnitzte, Messingkreuze ebenso wie Kleinode aus Silber.
Formal erinnern viele dieser Kunstwerke nur noch von ungefähr an die gängige Kreuzform. Bei einigen Objekten muß man schon genau hinsehen, um die Balken zu entdecken. Vielfach vertreten sind „geschlossene“ Kreuze in annähernd kreisförmiger Gestalt. Auch Kombinationen von christlichem Kreuz und Davidsstern kommen vor.
Die Kollektion macht deutlich, welch eigenständiges Formenspiel sich in Äthiopien vor allem dadurch entwickeln konnte, daß dieses Land seit dem 7. Jahrhundert durch islamische Gebiete von den christlichen Kernlanden Europas getrennt war. Die neuere Entwicklung wurde auch durch den Tourismus bestimmt. Äthiopier verfertigten Kreuze für ausländische Besucher und paßten sich zum Teil deren Wünschen an. Da Äthiopien seit einigen Jahren sozialistische Republik ist, nimmt man an, daß die Herstellung christlicher Symbolfiguren stark zurückgegangen ist. Immerhin will Äthiopiens Botschafter zur Ausstellungseröffnung kommen.
Der Katalog enthält den ersten wissenschaftlichen Aufsatz (Autor: Heinz Skrobucha), der in deutscher Sprache zum Thema erschienen ist.
Kunsthalle Recklinghausen: Äthiopische Kreuze. 27. Februar bis 10. April 1983. Geöffnet dienstags bis freitags 10 bis 18 Uhr, samstags, sonn- und feiertags 11 bis 17 Uhr, montags und Ostersonntag geschlossen, Ostermontag 11 bis 17 Uhr. Katalogl 5DM.