Bei „strg alt entf“ Mord – die Kurzkrimi-Anthologie „Online ins Jenseits“

online_ins_jenseitsGeschichten über Verbrechen gibt es seit Kain und Abel. Doch jede Zeit bringt ihre eigenen Waffen hervor. Was dem Kain sein Stein war, ist dem Kriminellen im world wide web seine Tastatur. Im Zeitalter des unbegrenzten Surfens ist das perfekte Verbrechen manchmal nur einen Mausklick entfernt.

Grund genug für den Dortmunder Grafit Verlag, eine seiner beliebten Kurzkrimi-Anthologien dem zwar reellen, aber im Virtuellen gestarteten Verbrechen zu widmen. Mit der neuen Sammlung „Online ins Jenseits“ serviert der Verlag 14 Krimihäppchen namhafter Krimi-Autoren – von A wie App bis Z wie .zip. Schnell wird klar, mögen sich auch die Waffen geändert haben, gleichbleibend auch im virtuellen Raum sind die Motive. Gekränkte Eitelkeit und Bloßstellung durch entlarvende Youtube-Videos, Kontrollverlust, bedrohtes Eigentum, enttäuschte Liebe – das war schon im Alten Testament so, das bleibt auch im Internet.

14 Autoren, etliche davon Mitglieder in der renommierten Krimi-Autoren-Vereinigung Syndikat, sind online gegangen und haben die heimtückischsten Fallen im Cyber-Space aufgespürt. Ganz ohne Frage ist es in Zeiten allgegenwärtiger digitaler Beobachtung, in denen sich Blogger berufen fühlen, eine Rede zur Lage zur Nation zu halten, gut und wichtig, auch im Unterhaltungssektor auf die Gefahren des Internet aufmerksam zu machen. Schließlich kann man nicht alles mit der Escape-Taste wieder rückgängig machen,

Leider wirken die meisten Krimihäppchen eigenartig fade und selten wirklich appetitanregend. Die Autoren verstehen ihr Handwerk, wie gewohnt sind einige Plots richtig spannend, andere eher augenzwinkernd amüsant. Aber es bleibt ein seltsam diffuses Gefühl von „Hier wird zusammengebracht, was (noch) nicht richtig zusammengehört“. Es scheint, als ob die Kreativität der schreibenden Zunft exakt diametral zur Kreativität der Computer-Nerds verläuft (und wahrscheinlich auch umgekehrt). So richtig versteht man einander nicht, zu fremd sind letztlich doch wohl die unterschiedlichen Lebenswelten, als dass eine Schnittstelle zu definieren wäre. Die geschilderten virtuellen Verbrechen kratzen nur an der Oberfläche, viele Protagonisten scheinen wie mit einer Schablone gezeichnet.

Dennoch sind die Geschichten professionell aufgebaut und reichen durchaus für ein paar spannende analoge Stunden. Und ganz sicher verhilft der Offline-Genuss dieser Krimihäppchen dazu, später beim Internet-Surfen die ein oder andere Klippe zu umschiffen, von der man sonst vielleicht gestürzt wäre. Dabei sind die den Kurzkrimis vorangestellten meist skurrilen webfacts ein willkommenes Amuse Geule, die den Krimis nachgestellten „heimlichen“ Online-Wünsche der Autoren ein nettes Dessert.

Von den 14 Geschichten gefielen mir zwei besonders: Zum einen Katzenauge 2.0. von Sabine Thomas, der damit die Ehre gebührt, dem im Netz so gleichermaßen beliebten wie nervigen Cat-Content eine ganz neue Bedeutung gegeben zu haben. Zum anderen interessanterweise die Geschichte von Sebastian Stammsen www.krimi-hexen.de, in der ausgerechnet bloggende Rezensentinnen zum Mordopfer wurden. Wahrscheinlich war ich einfach froh, dass es mich nicht getroffen hat und ich weiter unbehelligt meine unmaßgebliche Meinung in die Tasten hacken darf.

„Online ins Jenseits“. 14 Krimihäppchen. Grafit Verlag, Dortmund, 184 Seiten, 10 €

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