In diesen Zeiten Journalist werden? Tja, mh, äh…

Ob man/frau heute noch einmal den journalistischen Beruf ergreifen oder sich gar von ihm ergreifen lassen sollte? Mh, ich weiß nicht so recht.

Einst die Insignien des Print-Redakteurs, sozusagen „Zepter und Reichsapfel": Typometer und grapgische Rechenscheibe. (Foto: BB)

Einst Insignien in Print-Redaktionen, heute längst museal: Typometer und graphische Rechenscheibe. (Foto: BB)

Dies soll gewiss keine Berufsberatung werden. Doch auch kein unumwundenes Abraten. Nur ein paar gesammelte Bemerkungen. Wer in sich eine entsprechende Begabung fühlt, mag es sicherlich weiterhin versuchen. Aber leicht wird es nicht. Doch wird es beispielsweise leichter sein, Lehrer zu werden und über Jahrzehnte zu bleiben? Wohl kaum.

Zu den Zeiten, als „meine Generation“ (yeah, yeah!) im journalistischen Job anfing, war noch manches anders, die spürbaren Veränderungen kamen erst nach einigen Jahren – zuerst schleichend, dann rasend. „Damals“ sah man in der Straßenbahn und an vielen anderen Orten noch lauter Menschen mit Zeitungen (oder mit Büchern). Und heute? Nun, ihr wisst schon, was ich meine. Manchmal ist es bestürzend.

Aktualität war seit jeher mediales Gebot, auch Zeitdruck ist im Print-Gewerbe und bei anderen journalistischen Hervorbringungen natürlich keineswegs neu. Im Gegenteil. Ehedem wurden Zeitungen laufend aktualisiert, bis in die Nachtstunden hinein. Zehn Jahrzehnte vor unserer Zeit, in den legendären 1920er Jahren, gab es noch Rezensionen, die gleich nach Schluss der Aufführungen gedruckt wurden. Aber hallo!

Doch heute werden Nachrichten und Kommentare nicht nur schnell, sondern oft genug vorschnell verfertigt, noch während und indem die Geschehnisse sich bewegen. Unsere täglichen Eilmeldungen gib uns heute. Halbgare Stoffe werden schon hastig um und um gewendet, ehe die Wahrheit (ach ja!) ihren ersten zarten Anschein zu zeigen vermag. Inzwischen sind Berichte unter der demonstrativ wägenden Standard-Zeile „Was wir wissen – und was nicht“ ja schon ein eigenes, immerhin halbwegs seriöses Genre.

Auch war längst nicht dieser furchtbar freigelassene, entfesselte Hass unterwegs wie heute. Ehedem kamen ab und zu ein paar Leserbriefe, zumeist recht moderat im Tonfall. Heute müssen (?) sich Medienleute mit pointierten Meinungen oder nach peinlichen Pannen darauf einrichten, im Netz übelst angegangen oder bedroht zu werden – jüngstes, über alle Maßen bekakeltes Beispiel war jetzt die Oma als „alte Umweltsau“.

Der Respekt – auch vor den Vertretern vieler anderer Berufe – ist zusehends geschwunden, die Zündschnüre des Zorns sind ungleich kürzer. Wohin soll das in diesen neuen 20er Jahren führen?

Und dabei haben wir noch gar nicht über die ungeheure Arbeitsverdichtung geredet, die in vielen Branchen Einzug gehalten hat – so eben auch im Journalismus. Mit dem Aufkommen des Computers hat nach und nach die Hektik zugenommen, auch weil man nun die Arbeit zu erledigen hat, die vordem anderen Berufsgruppen oblagen, beispielsweise Setzern und Korrektoren. Das waren noch Leute und Zeiten. Und die Fehlerquote lag bedeutend niedriger als jetzt.

Nö, früher war nicht alles besser. Aber dies und das eben doch. Und nun sucht euch halt euren künftigen Beruf – oder besser: eure Berufe – aus. Bei einem einzigen wird es vermutlich eh nicht bleiben.

image_pdfPDF öffnen / Open PDFimage_printDrucken / Print
Visited 18 times, 1 visit(s) today

Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
Dieser Beitrag wurde unter Arbeitswelt & Beruf, Fernsehen und Hörfunk, Gesellschaft, Medien, Netzwelten, Stilfragen, Wahnwitz abgelegt und mit , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu In diesen Zeiten Journalist werden? Tja, mh, äh…

  1. Bernd Berke sagt:

    Na klar, Ingo: Natürlich kann man sich auch – sozusagen „sozialschädlich“ – hinter einer Zeitung oder einem Buch verbergen, aber halten zu Gnaden: Das ist mir immer noch allemal sympathischer als das dumpfe Starren auf Smartphones. Vielleicht eine Generationenfrage. Aus einer Zeitung schaut man doch wohl leichter und bereitwilliger wieder auf und findet schneller wieder in die umgebende Wiklichkeit hinein, als aus dem bläulichen Geflirre.
    P. S.: Kürzlich ist mir in einem uralten Godard-Film eine hinreichend groteske Szene aufgefallen, die im Kino spielt und in der sich (vor Beginn der Vorstellung) lauter Leute hinter Zeitungen verstecken. Auch im Kino kann man sich ja verkriechen. Wahrscheinlich einer der schönsten Eskapismen, cineastisches Mindestmaß vorausgesetzt.

  2. Ingo Scherlinski sagt:

    ach guck, mein typometer hab ich auch noch irgendwo gebunkert 😉 (also, eines der vielen, auch wenn Herr Hermann Fischer bei der Herausgabe eines neuen meist recht zögerlich war »könnte man das bisschen verblichenes nicht mit einem edding? nein? Wir haben nach dem Krieg auf Apfelsinenkisten …« *hach*

    Eine Anmerkung nur, weil auch mir dieser Wahrnehmungsfehler (sorry) nur zu gerne unterläuft: in einem Vergraben hinter einer Zeitung (in U-, Straßen- oder S- Bahn, an der Haltestelle, im Café, hinterhergeweint den seligen Zeiten aufgeklärter Leser) steckt keine sozialinteragierende Haltung als hinter selbem Tun mit Hilfe eines Smartphones.

    Wo ich Dir eher vorbehaltlos zustimme, ist das Überhandnehmen des Vorschnellen, das (im täglichen Geschäft, weswegen ich Wochenzeitungen mittlerweile lieber lese) ganz schnell, ganz dicht dabei sein Wollens, das dann allzuleicht in Hitlisten ähnlicher Unglücke oder Geschehnisse als einzig Manifestem abgleitet.

    Das Thema Lektoren hatten wir schon hie und da. 😀

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert