Entdeckung der Gelassenheit – „Das kleine Haus am Sonnenhang“ von Alex Capus

„Als ich noch ein ziemlich junger Mann war, nicht mehr Student und noch nicht Schriftsteller, habe ich für fast kein Geld im Piemont ein kleines Haus gekauft.“ Das marode Gemäuer, versteckt in einem Seitental an einem Sonnenhang gelegen, ist schwer und bei schlechtem Wetter nur zu Fuß zu erreichen. Es zieht durch alle Fugen und Ritzen, aber in den Augen des neuen Besitzers ist es genau das Richtige, um auszusteigen und sich neu zu erfinden.

Denn der junge Mann, der bisher ziellos durchs Leben geisterte und sich mit journalistischen Arbeiten über Wasser hielt, will seinen ersten Roman schreiben und Schriftsteller werden. Zwei, drei Jahre lang wird er sich in die Einsamkeit zurückziehen, die Ruhe genießen und die Gelassenheit entdecken, die er braucht, um aus seiner überbordenden Fantasie ein Buch zu formen. Irgendwann wird es fertig sein, dann wird er über verschneite Wiesen ins Tal hinabsteigen und ein neues Leben beginnen.

Schönheit der kleinen Dinge

Mit „Das kleine Haus am Sonnenhang“ entwirft Alex Capus nicht nur eine Philosophie der Langsamkeit und besingt die Schönheit der kleinen Dinge, er führt uns auch durch die schlingernden Pfade seines Daseins und öffnet die Tür in seine literarische Werkstatt. Capus, inzwischen längst ein Autor mit Bestseller-Garantie, beschreibt mit sanfter Ironie, wie er sich das schriftstellerische Handwerk selbst beibrachte und langsam begriff, dass Schreiben und Leben zwar zusammengehören, aber nie dasselbe sind.

Während er an seinem ersten Roman bosselt, in den Schreibpausen Reparaturen an seinem Haus vornimmt und manchmal ins nächste Städtchen wandert, in einer mit flackernden Neonröhren notdürftig beleuchteten Bar ein Glas Wein trinkt und mit den immergleichen Besuchern die immergleichen Gespräche führt, denkt er darüber nach, ob und wie ein Autor seine Biografie verwenden, verfremden und in Literatur verwandeln kann. Oder wie er das Chaos und den Zufall, der sein Leben beherrscht, in eine logische Kette von Wahrscheinlichkeiten verbiegen kann, die dem Leser glaubwürdig erscheint.

Als die Welt sich langsamer zu drehen schien

Reflektierend reist er durch die Weltliteratur und macht gelegentlich Station bei seinen eigenen, späteren Romanen. Wer würde ihm schon abnehmen, dass er – was der Wirklichkeit entspricht – fünf Söhne hat? Also belässt er es in einem autobiografisch grundierten Romane lieber bei drei. Wovon das Buch handelt, an dem Capus in seinem „kleinen Haus am Sonnenhang“ schreibt, bleibt im Ungefähren. Wichtiger ist, welche Gedanken ihm beim Schreiben durch den Kopf gehen oder wie er Macken und Marotten der kleinen Leute in dieser weltabgewandten Gegend (nicht ohne nostalgische Reminiszenzen) einfängt; damals, Mitte der 1990er Jahre, als mobile Telefone noch die Ausnahme waren, als man noch überall und immer rauchen durfte, an den Tankstellen noch persönlich bedient wurde und die Welt sich nur sehr langsam zu drehen schien.

Capus hat damals begriffen, was Zufriedenheit bedeutet, wie man Glück findet und ein gelassener Mensch wird: Warum sollte er ständig eine neue Pizza ausprobieren, wenn doch seine geliebte Pizza Fiorentina völlig in Ordnung ist? Und was bringt es, auf einer Urlaubsinsel täglich nach anderen Stränden zu suchen, wenn der eine – meistens gleich der erste – bereits gut genug ist und völlig ausreicht?

Alex Capus: „Das kleine Haus am Sonnenhang“. Hanser, München 2024, 160 Seiten, 22 Euro.

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