Was Politiker sagen, wenn ihnen Corona keine Ruhe lässt

Speziell in solchen Nächten treibt es manche Leute um. (Foto: BB)

Sofern man sich durch die eine oder andere Nachrichtensendung, Doku oder Talkshow zu Corona-Themen gequält hat, wird man finden, dass in der Polit-Szene ein Modewort kursiert, das im Grunde sehr alt ist.

Nein, es hat nicht direkt mit fachlichen Fragen zu tun, erst recht nicht mit Feinheiten der Virologie. Noch der nüchternste Polit-Darsteller wird dieser Tage ein bestimmtes Wort benutzen, das anzeigen soll, wie ihm Corona bei Tag und bei Nacht keine Ruhe lässt. Nun ratet!

In Ordnung, ihr habt euch redlich bemüht. Das Wort lautet: umtreiben. Die Folgen von Corona treiben mich um. Die Situation der Gastronomie / der Kultur / der Senioren / der Pflegeberufe treibt mich um. Und so weiter, und so fort. Man sieht sie förmlich durch menschenleere Straßen wanken, schräg gegen Stürme gestemmt, den Mantelkragen hochgezogen, sie selbst gramgebeugt, umgetrieben noch und noch. Mitunter fragt sich jedoch, ob diejenigen wirklich umgetrieben oder eher umtriebig sind.

Das Wort wird zur bloßen Kennmarke

Nein, bewahre: Dies soll kein landläufiges Politiker-Bashing werden, dafür ist eine präpotente Kampagnen-Journaille zuständig, allen voran mal wieder das Blatt mit den vier großen Buchstaben. Wir wollen dem Gros der Parteipolitiker keineswegs die Empathie, die Mitleidensfähigkeit absprechen, aber wenn selbige immer und immer wieder mit demselben Ausdruck daherkommt, schimmert denn doch etwas Unechtes durch. Wenn man also vernimmt, wie Politiker sich seit einiger Zeit immerzu umgetrieben wähnen, sollte man hellhörig werden. Wer auch immer die Wendung zuerst benutzt hat, andere haben sie für tauglich befunden und alsbald nachgesprochen. Nun ist sie in fast aller Munde. Das Wort wird zur bloßen Kennmarke. „Lassen Sie mich durch, ich werde umgetrieben!“

Übrigens: Ich mag mich irren, aber mir scheint, dass Männer die Umtreibe-Formulierung viel öfter verwenden als Frauen. Deshalb unterbleibt auch an dieser Stelle das mit obligatorischer Sinnpause zu sprechende „Politiker*innen“. Sollte die ungleiche Häufigkeit etwa daran liegen, dass männliche Politiker glauben, ihre Empathie eigens betonen zu müssen, während sie bei den weiblichen immer noch als quasi naturgegeben gilt?

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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