Der Kaiser und seine Leibgarde fürs Jenseits – Dortmunder Ostwall-Museum zeigt Abglanz der Ausgrabungs-Sensation aus China

Von Bernd Berke

Dortmund. „Unsere Wagen sind perfekt gebaut / Unsere Pferde sind in bester Form / Unsere Wagen sind völlig in Ordnung / Unsere Pferde sind ganz robust“. So beschwörend machte man sich im alten China Mut. Es handelt sich um die Anfangszeilen eines chinesischen Jagdgedichts aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. Sie stehen auf einer Steintrommel, die eines von insgesamt nur 92 Exponaten der „Terrakotta-Schau“ im eigens renovierten und teilweise eilends umgebauten Dortmunder Ostwall-Museum ist.

Die robusten Pferde kann man in Dortmund lebensgroß besichtigen. Flankiert von den berühmten Tenakotta-Kriegern (noch nie waren so viele außerhalb Chinas zu sehen), bildet das Ensemble im Lichthof einen derart imposanten Auftakt zum Rundgang, daß alles weitere eigentlich nur noch Beigabe ist; dies auch im Wortsinne, handelt es sich 5 doch bei vielen Stücken um Grabbeigaben.

Im Zentrum der archäologischen Schau, die freilich auch ältere Exponate bietet, steht der „Erste Kaiser“ Qin Shi Huang Di, der von 221 bis 206 v. Chr. herrschte. Dem Despoten gelang es von der alten Kaiserstadt Xi’an aus, mit eiserner Hand die Basis für ein einheitliches chinesisches Reich zu schaffen, das in seinen Grundzügen bis ins Jahr 1911 Bestand hatte. Shi Huang war es auch, der den Bau der „Großen Mauer“ beginnen ließ.

In Xi’an sind seit 1974 Tausende von Kriegern, Rossen und weiteren Grabbeigaben entdeckt bzw. ausgegraben worden. Einen fernen Abglanz dieser archäologischen Weltsensation kann Dortmund nun mit Unterstützung des „Initiativkreises Ruhrgebiet“ exklusiv zeigen. Das umfangreiche Begleitprogramm, u. a. mit Vorträgen und Theatergastspielen aus China, unterstreicht den Rang der Ausstellung. Ein extra engagierter Wachdienst läßt auf hohe Kosten (man munkelt von über vier Millionen Mark) und Besorgnis um die Unversehrtheit der Figuren schließen.

Für die Herrichtung der gigantischen unterirdischen Begräbnisstätte des „Ersten Kaisers“ sollen seinerzeit rund 700 000 Zwangsarbeiter eingesetzt worden sein. Die Terrakotta-Krieger samt Pferden waren dabei als eine Art Leibgarde fürs Jenseits gedacht. In Dortmund werden sie und die anderen Exponate aber nicht als dichte Ansammlung archäologischer Fundstücke, sondern vielmehr als ästhetische Objekte zum optischen Genuß freigegeben. Um zahlreiche Exponate hat man enorm viel leeren Raum belassen – fast wie in einer Ausstellung moderner Skulpturen. Der „luftige“ Effekt wird freilich durch den zu erwartenden Massenandrang von Besuchern wieder aufgehoben werden.

Spartanische Hartfaserplatten als Podeste tun das ihre, den Blick ausschließlich auf die Exponate zu lenken. Neben den dominierenden Terrakotta-Figuren sind u.a. Bronzen, Keramiken, Architekturteile und Eisengeräte aus den Epochen vor und nach der Qin-Dynastie zu sehen. Ihre Bedeutung erschließt sich aber erst bei Lektüre des Katalogs. Zwei „Nebenausstellungen“ in Seitennischen sind der chinesischen Schrift bzw. Fotos der chinesischen Mauer gewidmet.

Übrigens: Von der politischen Situation im heutigen China, das ja nicht eben ein Hort der Freiheit ist, war gestern mit keinem offiziellen Wort die Rede.

„Jenseits der großen Mauer – Der Erste Kaiser von China und seine Terrakotta-Armee“. Dortmund, Ostwall-Museum. 12.8. bis 11.11., tägl. 10-20 Uhr. Katalog 38 DM. Eintritt 10 DM. Karten erstmals auch im Vorverkauf: Bestellungen nur schriftlich unter Angabe des gewünschten Besuchstages an: China-Projekt der Rheinisch-Westfälischen Auslandsgesellschaft, Geschwister-Scholl-Str. 22, 46 Dortmund 1.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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