
Der Wundertheaterdirektor (Christopher Hochstuhl) und seine Gefährtin (Rina Hirayama). (Foto: Sascha Kreklau / Musiktheater im Revier)
Die Komponistenfreundschaft zwischen Karl Amadeus Hartmann und Hans Werner Henze verband zwei ungleiche Charaktere. Hartmann, gebürtiger Münchner, war bodenständig und familienbezogen, gewann aus seiner gesellschaftlichen Position Sicherheit im Auftreten. Henze, früh auf der Flucht aus dem westfälischen und kleinbürgerlichen Milieu, fühlte sich eher als Außenseiter, versteckte sich gerne hinter Luxus und Masken.
Wie gut beide trotzdem harmonieren können, zeigt die Abschlussproduktion des Opernstudios NRW, die auf der kleinen Bühne des Musiktheaters Gelsenkirchen Premiere hatte. Unterstützt durch Gäste, verbinden die acht Mitglieder des aktuellen Jahrgangs Henzes Kurzoper „Das Wundertheater“ mit Hartmanns fünfteiligem „Wachsfigurenkabinett“, das erst durch Henzes Ergänzungen vollständige Form annahm.
Hinter der vermeintlich kleinen Produktion verbirgt sich ein großer Aufwand. Es braucht ein äußerst variables Bühnenbild, minutiöse Arbeit mit dem Orchester und jede Menge Kostüme, um die Miniaturen zur Bühnenreife zu bringen. Obwohl Dirigent Gregor Rot kurzfristig einspringen musste und die Probenarbeit durch Corona-Ausfälle immer wieder torpediert wurde, ist das Ergebnis erstaunlich gelungen. Das junge Gesangsensemble findet einen sorgsam präparierten Boden vor, auf dem es seine Stärken ausspielen kann.

Der ukrainische Bassist Yevhen Rakhmanin als Gobernadór. (Foto: Sascha Kreklau / Musiktheater im Revier)
In der turbulenten, aber nie nervig überdrehten Regie der Budapesterin Zsófia Geréb zeigen die Sängerinnen und Sänger hingebungsvolle Lust an der Farce. Die Kunst, sich selbst und andere zu belügen, feiert dabei fröhliche Urständ: zunächst in Henzes „Wundertheater“, das angeblich nur von jenen Zuschauern gesehen werden kann, die in einer rechtmäßigen und christlichen Ehe gezeugt wurden.
Im Bühnenbild von Ivan Ivanov, einer doppelseitigen Showtreppe mit mittig eingebautem Theatervorhang, wird bald geheuchelt, dass sich die Balken biegen. Die Rokoko-Kostüme (ebenfalls von Ivanov) unterstreichen die aufgeblasene Moral der Figuren. Auch das Orchester setzt Ausrufungszeichen: Paukenschläge, Trompeten-Signale und affektiert gedrechselte Instrumentalsoli machen die Ironie des Spiels zum Vergnügen. Die Neue Philharmonie Westfalen ist unter Gregor Rots Dirigat herrlich punktgenau.
In Hartmanns „Wachsfigurenkabinett“ setzt sich dieser Esprit fort. Wanderprediger, Trunkenbolde, eine allzu rasch trostbereite Witwe und amerikanische Idole wie Charlie Chaplin und Henry Ford paradieren vorbei. Mögen Orte und Szenen auch gleitend wechseln, der Opportunismus, der hier satirisch aufgespießt wird, bleibt eine Konstante. Für die guten Gesangsleistungen seien einige exemplarisch genannt: der elegante und doch kraftvolle Bariton des Ukrainers Oleh Lebedyev, der durchschlagskräftige Sopran der Südkoreanerin Heejin Kim und der lyrische Tenor des Amerikaners Christopher Hochstuhl.
In einem Bogen führt die Regie den Ausgang des Spiels zum Anfang zurück. „Jetzt schnell ein Liebesduett und dann ins Bett“, hatte Hartmanns „Witwe von Ephesus“ kurz zuvor noch gewitzelt. Dass das nicht so platt ankommt, wie es beim Lesen klingt, sagt einiges über den fein gemachten Abend.