„Simst“ du noch oder „whatsappst“ du schon?

Sprachen leben, sie werden von lebendigen Wesen zur Kommunikation genutzt. Und so verändern sie sich auch im Laufe der Lebenszeiten dieser lebendigen Wesen ständig, was manchem der Wesen sauer aufstößt. Andere sehen’s gelassen und machen mit. Bisweilen sind aber auch die Toleranz-Boliden unter den Sprachliebhabern vor arge Verständnisprüfungen gestellt.

„Moment, ich stumme mal eben mein Handy“, schnappte ich unlängst auf und begann spontan in eine Form des Grübelns zu geraten, die mit „Hirnzermarten“ treffender beschrieben wäre. Nach endlos erscheinenden Sekunden der Ratlosigkeit glimmte es erleuchtend auf: Der junge Mensch – und ich vermute mal sein gesamter Freundeskreis – hatte dieses mir bis dahin nicht geläufige Verb entwickelt, um seinen jeweiligen Gegenübern zu bedeuten, dass er sein Mobiltelefon „auf stumm“ schalten werde, damit dessen wie auch immer gearteter Klingelton die Unterhaltung nicht stört.

(Foto: Bernd Berke)

(Foto: Bernd Berke)

Ich verstummte lieber, als dass ich eine neugierige Frage an ihn richtete und mir einen verständnislosen Blick einhandelte. Okay, dass ich mal eben ein paar Informationen „google“, daran habe ich mich ja gewöhnt, nutze diese ganzneudeutsche Vokabel auch selbst gern, weil es keine bessere  und vor allem kürzere Kennzeichnung des dazugehörigen Tuns an PC, Tablet oder Cellphone (deutsch: Handy) gibt. Jeder Versuch einer umgangssprachlichen Verknappung mündete unweigerlich in eine bandwurmende Beschreibung der Handlung, was eigentlich niemand will.

Schon lange, so lange, dass ich kaum mehr Erinnerung habe, wann ich es nicht getan hätte, schon lange also „simse“ ich. Obwohl auch das ja an den höheren Blödsinn grenzt, denn allenfalls schreibe ich ja eine eine Nachricht über einen SMS (ShortMessageService), also nicht mal eine SMS schreibe ich. Und doch: Jede andere Form, es deutlich zu machen, wäre zu lang, also „simse“ ich auch.

Inzwischen ist das aber auch schon eine Handlung, die, wird sie verbalisiert, in deiner Umgebung sofort den Verdacht keimen lässt, du seist ein Gruftie, was ja auch der Wahrheit entspricht. Aber inzwischen würde das „Simsen“ einen Gruftie als nicht mehr auf der Höhe der modernen Zeit demaskieren. Schließlich „whatsappt“ mensch sich heute was. Die Community ist dauervernetzt und schier am Tropf eines Dienstes, dessen kryptischer Name (soll wortspielend die Frage „What ist up?“ – was geht – und App miteinander verbinden) in ein Verb umoperiert wurde.

Nun kann ich an dieser Stelle nur sagen, dass ich aus persönlichen Gründen gegenüber „WhatsApp“ phobisch reagiere und den Kommunikationsweg nur dann gezwungenermaßen beschreite, wenn er mir von der anderen Seite aufgenötigt wird. Daher „whatsappe“ ich auch nicht und werde mir das auch ganz sicher nicht angewöhnen. Aber die Angewohnheit, mich mit umgangssprachlichen Veränderungen konstruktiv auseinanderzusetzen, die werde ich mir bewahren. Schließlich habe ich mich ja auch an die Neue Rechtschreibung schon früh gewöhnt.

Ach ja, da erinnere ich mich gern dran. Ein Kunde kreidete mir damals, bei deren Einführung, einen Schreibfehler an. Ich solle doch „Litfaßsäule“ nach neudeutscher Weise mit drei „s“ schreiben. „Nöö“, antwortete ich, das bleibt bei „ßs“. Und naseweiste sogleich weiter, dass niemand gezwungen werden könne, einen Eigennamen anders zu schreiben als sein Träger. Zu spät bemerkte ich, dass der werte Kunde keine Ahnung hatte, dass Herr Litfaß ein findiger Berliner war und seine Werbesäule nix mit einem Fass zu tun hatte.

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