Das israelische Klassenzimmer: „Kind of“ bei der Ruhrtriennale

Szene aus Kind of. Foto: Gianmarco Bresadola/ruhrtriennale

Szene aus „Kind of“. (Foto: Gianmarco Bresadola/Ruhrtriennale)

Der eigentümliche Klang der fremden Sprachen ist an sich schon ein Erlebnis: Hebräisch, Arabisch und Jiddisch wird in diesem Klassenzimmer auf der Bühne von PACT Zollverein in Essen gesprochen. „Kind of“ heißt das Stück der israelischen Autorin und Regisseurin Ofira Henig, das die Ruhrtriennale jetzt in Kooperation mit der Schaubühne Berlin herausbrachte.

Doch es geht nicht um den Hörgenuss für Auswärtige, sondern um die Machtstrukturen der Sprache: Wie Kinder in ihrer Erziehung gelenkt, ja indoktriniert werden, dafür findet Henig eindrückliche Bilder. Die Schüler in braver Montur von weißen Blusen, schwarzen Hosen bzw. Röcken und altmodischen Lederranzen marschieren im militärischen Takt und skandieren dabei Befehle aus der Armee.

Stolz liest die Schwester aus den Briefen des Bruders beim Militär vor, zu wehrhaften Israelis soll diese Generation erzogen werden, dass sie nie wieder Opfer seien, wie einst die „Ghettojuden“. Historisch verständlich, zeigt Henig die Kehrseite der Medaille dieser Erziehung auf: Wenig Empathie, wenig Toleranz gegenüber denjenigen, die nicht zum auserwählten Volk der Hebräer gehören. Beispiel Arabischunterricht: „Setzt dich hin, zeig deinen Pass, Hände hoch oder ich schieße“ – das sind die Vokabeln, die die Schüler hier lernen.

Wo John Lennons „Imagine“ unerwünscht ist

Arabisch spricht auch der Hausmeister der Schule im Blaumann, aber er hat ein anderes Hobby, nämlich Hundedressur. Putzig, wie er dabei die Hunde imitiert, die ihm gehorchen sollen. Doch auch diesem Monolog wohnt etwas latent Gewaltbereites inne: Zum Schluss träumt er von Kampfhunden, mehr Waffe denn Haustier.

Ebenfalls eine Wissenschaft für sich ist die Benennung und Umbenennung von Straßen, je nachdem, ob man sich in jüdisch bzw. arabisch bewohnten Gegenden befindet. Da wird die Bezeichnung zum Besitzanspruch. Auch die Wahl des Purim-Kostüms wird den Kindern nicht freigestellt, es müssen schon akzeptierte Helden sein. Ebenso verpönt ist alleine tanzen und dann auch noch nach dem Song „Imagine“ von John Lennon: Ein Schulstreich lässt die Musik über den Hof schallen, die Ächtung der Lehrerin folgt auf dem Fuß.

Die Szenen sind in den 60er und 70er Jahren angesiedelt, rund um den Sechstagekrieg von 1967; eine andere Zeit – und doch bedingt sie die Probleme von heute.

Die Machtstrukturen im Regietheater thematisiert Henig ebenfalls mit ihrem Lieblingssong „Imagine“: Der arme Klavierspieler wird gebissen und gewürgt, um die Töne herauszubringen, schluchzend. Dabei hat das Lied doch eine so positive Botschaft. „Imagine all the people/Living life in peace.“

Weitere Informationen:
ruhrtriennale.de
ruhr3.com/kindof

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