Von Bernd Berke
Der Hagener Maler Emil Schumacher, eine der bahnbrechenden Gestalten der deutschen Nachkriegskunst, wird heute 75 Jahre alt. Aus diesem Anlaß verleiht ihm seine Geburtsstadt die Ehrenbürgerschaft, und im Osthaus-Museum wird eine Schumacher-Ausstellung eröffnet.
Schumacher genießt weltweiten Ruf; er bekam zahllose internationale Auszeichnungen; er war auf den größten Ausstellungen (documenta, Biennale in Venedig) vertreten. Doch stets „war und ist für seine Malerei die südwestfälische Herkunft bestimmend“, befindet Kindlers Malerei-Lexikon. Die Kunstzeitschrift „Art“ zitiert sein Bekenntnis zu Hagen: „Die Leute hier sind mir vertraut. Die Arbeitergegend inspiriert mich. Der gute Geist, der von diesem Flecken ausgeht, gibt mir Bilder, die ich nur hier malen kann.“ In der Tat: Die Landschaft Südwestfalens regte nicht nur die Gestaltung schrundig-erdhafter Bilder an, sie lieferte manchmal auch gleich das zugehörige Material.
Am 29. August 1912 wurde Emil Schumacher im Haus Bleichstraße 11 in Hagen (dort wohnt er noch heute) als Sohn eines Schlossers geboren. Von 1932 bis 1935 studierte er an der Dortmunder Kunstgewerbeschule, strebte dann eine Existenz als freier Maler an.
Bedeutsam war die Begeglung mit dem Altmeister Christian Rohlfs im Jahr 1937. Rohlfs (1938 in Hagen gestorben) gehörte zu den vom NS-Regime verfemten Künstlern (1934 verhinderten die Nazis in Witten auch eine Schumacher-Ausstellung). Rohlfs‘ expressive Malweise gab Schumacher Impulse.
Vom Fronteinsatz zurückgestellt, wurde Schumacher von 1939 bis 1945 als technischer Zeichner in die Hagener Akkumulatorenfabrik verpflichtet. Erst nach dem Krieg konnte er wieder als freischaffender Künstler arbeiten. Alsbald gehörte er zu den Malern, die den Anschluß an die so lang und gewaltsam unterdrückte Moderne wiederherstellten.
Zunächst experimentierte Schumacher mit kubischen .Formen, die die Farborgien noch „bändigten“. Doch nach einem Besuch in Paris (1951) wagte er das Abenteuer der Abstraktion. Die Farbe sprengt nun die Form. Die spontane Aktion an der Leinwand wird bestimmend. Schumacher trägt die Farbe oft mit bloßen Händen auf. Bekannt wurden seine reliefartigen „Tastobjekte“ sowie die „Hammerbilder“, bei denen Schumacher die Malfläche durch aggressive Hammerschläge bearbeitete und die entstandenen Furchen erneut ausmalte – Zerstörung und neues Werden. Dabei kommt die pure „Körperlichkeit“ der Farbe zum Vorschein, und es entfaltet sich ihre psychologische Macht. Man mag Schumachers Bilder dem „Tachismus“ oder dem „Informel“ zuordnen. Ihre Qualität erfaßt man mit solchen Schubladen-Begriffen nicht.
Seine immens lebendigen Bilder tragen deutliche Spuren heftiger Malgesten, sie sind ersichtlich aus starker Motorik, aus kraftvoll ausgetragenem Kampf hervorgegangen. Zwar spielt dabei auch Zufall eine Rolle, doch gerade deshalb ist eine souveräne Beherrschung von Form und Farbe wichtig. Schumacher: „Handwerk, Technik und Erregung sind eins.“
Die Erregung beim Malen hat Schumacher auch in seinem jetzigen Alter nicht verlassen. Im Gegenteil, seine Arbeiten wirken vitaler denn je. Schumachers häufig zitierter Satz „Ich nehme eine Farbe, wie ich in einen Apfel beiße oder einem Freund die Hand gebe“, läßt ahnen, wie lebenswichtig ihm die Kunst ist.