Ansichten eines Hörbuch-Junkies (4): „Griessnockerl-Affäre“ – ein etwas anderer Eberhofer-Krimi

Es beginnt mit einem Anlass zum tiefen Bedauern: Schreck, die Oma lebt nicht mehr!

Hatte sich die Leser-/Hörerschar doch an sämtliche Mitglieder der Familie Eberhofer in Niederkaltenkirchen bei Landshut so sehr gewöhnt, liebte sie doch sämtliche Schrullen und Alltagsungewohnheiten und war sie doch bei jedem der Eberhofer-Krimis von Rita Falk immer wieder begeistert von den Schmankerln, die Oma gerade ihrem Enkel Franz zubereitete. Und nun keine allseits bejubelten Rezepte mehr, keine einschaltbare Schwerhörigkeit mehr, wenn die kleine Oma sich verweigerte, blödsinnigen Lebensäußerungen ihrer Umgebung ausgesetzt zu sein?

Doch dann – beim üblichen Kondolenz-Défilé – erklingt auf einmal Omas gewohntes Stimmchen aus den Stimmbändern von Christian Tramitz. Sie drückt der Susi vom Franz ihr Beileid für den Verlust von deren Oma aus. Sie selbst ist nach wie vor doch noch quicklebendig und fest entschlossen, Rita Falks „Grießnockerlaffäre“ die geriatrische Würze zu verleihen, die sie schon in den vorangegangenen Romanen zur besten Nebendarstellerin machte.

Apropos Christian Tramitz‘ Stimme: Sie klingt diesmal streckenweise so warm und liebevoll weich, dass nur bei seinen unvermeidlichen Zusammentreffen mit den Freunden Rudi (Expolizist), Wolfi (Kneipier), Flötzinger (Klempner, auch Gas-Wasser-Scheiße-Pfuscher genannt) und Simmerl (Metzger, der die delikatesten „Warmen“ anbietet) der gewohnte Grantler hervorschaut. Oder bei Auseinandersetzungen mit Bruder Leopold oder dem wuseligen Bürgermeister. Viel häufiger versucht der Ur-Bayer einen Tonfall zu üben, der sich dem anpasst, den er anschlägt, wenn er die kleine Sushi (die ihn liebende Tochter von Bruder Leopold) auf den Arm nimmt.

Das liegt an Paul, der die Oma besucht und sie damit an beider jungen Jahre erinnert, der Omas Stimme einen ebenso warmen Tonfall gibt und den gern mal derben Franz in tiefste Rührung stürzt, sobald der beobachtet, wie Paul und Oma frisch wiederverliebt umeinander schwärmen. Paul, das stellt sich später heraus, war der Erzeuger vom Papa, ist somit der Opa vom Franz und musste gleich nach der Zeugung vom Papa vor den Nazis fliehen. Nun ist er, wie sich schon früh andeutet, schwerst krank und hat es noch geschafft, sich einen Lebenstraum, das Wiedersehen mit der Oma, zu erfüllen.

Diesem zärtlich-liebevollen Handlungsstrang widmet sich Rita Falk allerdings so intensiv, dass der eigentliche Krimi in den Hintergrund tritt, der Hörer/Leser und natürlich auch alle –innen beiläufig mitbekommen, dass der Chef der Polizeiinspektion Landshut ins Jenseits befördert wurde und unser Franz als Hauptverdächtiger nicht ermitteln darf, es selbstverständlich aber dennoch tut. Gemeinsam mit Rudi und dem Stopfer Karl wird ermittelt und herausgefunden, dass zwei Frauen sich nach Hitchcocks Vorbild aus „Der Fremde im Zug“ etwas ausgedacht hatten…

Derweil kifft der Papa fast den Kräutergarten leer – angesichts der Tatsache, dass seine Mutter lieber den spät kennengelernten Vater bespaßt als ihm, dem Mann, den sie jahrzehntelang bekocht und umsorgt hatte, die ihm zustehende Fürsorge zu widmen. Derweil schleimt Bruder Leopold ausnahmsweise mal nicht den Papa voll, sondern hetzt seine medizinisch versierte Bekanntschaft auf den Paul, während der deutlich zeigt, dass Enkel Franz ihm eigentlich lieber ist und er zudem wenig Wallung verspürt, an sich sinnlos herumdoktern zu lassen. Was zum Ende führt, Franz Eberhofer seinen Opa Paul friedlich entschlafen auf dem Schoß der Oma findet als er heimkommt und mit dem Papa spürbar traurig wird angesichts dieses Bildes.

Erst als es die offizielle Belobigung durch den obersten Chef gibt, kehrt wieder uneingeschränkte Fröhlichkeit ein, ist der Franz stolz, die Oma auch, schnupft Richter Moratschek Gletscherprise, als gebe es kein Morgen und unternehmen Franz und der Rudi einen Ausflug nach Gelsenkirchen – als wenn es nicht Städte gäbe, die bessere Fußballvereine beherbergen. Das hat sich der Franz im Tausch gegen eine Paris-Reise ausgedacht, die nun nicht mehr die beiden alten Kollegen Polizisten antreten, sondern sie dem Flötzinger und seiner Mary verehren, damit diese wiederum ihre ausgekühlte Liebe erwärmen können, und das dritte Kind, das noch kurz vor des Flötzingers Kastration gezeugt wurde, liebevolle Eltern behält.

Wie gesagt, ein wenig sanfter kommt der neue Eberhofer-Krimi daher. Bisweilen wird er leise und liebevoll. Und der reifende Franz, der nach wie vor der Freundin Susi mal einen Sprung zur Seite gesteht, lässt sich dann und wann Dinge einfallen, auf die er drei Krimis zuvor nie gekommen wäre. Rita Falk hat offenbar ihre Dorfgemeinschaft inzwischen zu liebgewonnen, dass eines ihrer Mitglieder noch grundgrantelig oder gar boshaft dargestellt werden könnte. Nun soll sie sich mal beeilen, damit man bald erfährt, wie alles weitergeht.

Rita Falk (Autorin) / Christian Tramitz (Vorleser): „Griessnockerlaffäre“. Hörbuch-CD bei Der Audio Verlag DAV. Ca. 17 Euro.

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