Vattatach: International bekannt, in Deutschland bekanntlich besonders feucht

Zugegeben, alles zugegeben. Ich war allgemein wirklich nicht bekannt für meinen ausgeprägten Hang zur Totalabstinenz. Aber schon früher, als mir der gesellige Genuss wohlschmeckender Getränke mit prozentual messbaren alkoholischen Inhaltsstoffen noch näher stand als er es heute tut, schon damals neigte ich zum heiligen Schwur, es mir am Himmelfahrtstag zu untersagen, meine Lampe ausgiebig zu begießen. Bollerwagenumzüge waren mir schon immer zuwider.

Und wer trägt die Verantwortung für diesen durchfeuchteten Unfug, diesen Himmelfahrtstag eines jeden Jahres zum „Herrentag“, später etwas freundlicher beschrieben als „Vatertag“ zu proklamieren und in eine für Männer ansonsten anscheinend triste Welt zu setzen? Klar, die Berliner, wer sonst.

Dort, am schönen Strand der Spree, wurzelt diese Tradition, die es vorschrieb, einen Bollerwagen hinter sich her zu ziehen, der zu Beginn der festtäglichen Wanderschaft gefüllt mit Alkoholika unterschiedlicher Volumenprozente war, mit dem wachsenden Wankelgang sämtlicher Begleitpersonen immer leerer wurde (die Personen immer voller) und diese am Ende unter ebenso lautem wie misstönendem Absingen hohler Lieder heimkehrten, um wieder brave Familienväter zu sein und solide Räusche auszuschlafen.

Warum das alles ausgerechnet am Himmelfahrtstag und genau auf diese Weise zu geschehen hat, darüber gibt es keine urkundlichen Nachweise. Während der Muttertag seinen Ursprung in den USA hatte, und erst 1923, initiiert vom Verband der Blumenhändler, dem patriarchalischen Reichsdeutschland implantiert wurde, entstand die versoffene Tagestour bereits Ende des 19. Jahhrhunderts in der Reichshauptstadt, heute Bundeshauptstadt, Hauptsache Hauptstadt (weia, ich schweife ab). In Österreich (2. Sonntag im Juni) oder Italien (19. März) gibt es ihn auch, aber so wie den Muttertag an einem Sonntag, und da geht es wirklich um „Väter“. Die werden dann von der Familie beschenkt und gehen nicht saufen. In Dänemark wird er am Tag der Verfassung (5. Juni) begangen. Und in der Schweiz gibt’s gar keinen.

Seit 1909 haben auch die Amis ihren Vatertag, weil eine gewisse Sonora Smart Dodd ihrem Papa, einem Bürgerkriegsveteranen, was Gutes tun wollte. Seither versuchten Präsidenten sich gegenseitig zu übertreffen, was die Vatertagsanerkennung angeht. 1924 beförderte  Calvin Coolidge die Vatertags-Idee zur nationalen Sache. 1966 signierte Lyndon Johnson eine Proklamation, die den dritten Junisonntag zum Vatertag erklärte. Und Richard Nixon erhob 1974, mittels Public Law 92-278, den Vatertag in den Rang eines offiziellen Feiertages für den dritten Sonntag im Juni. Und natürlich musste auch der vermeidliche George W. Bush was tun: Er gab am 13. Juni 2003 eine „President’s Father’s Day Proclamation“ heraus.

Nun gut, zur Vollständigkeit sei erwähnt, dass es den Vatertag auch in Finnland, Litauen, der Slowakei und, und, und gibt. Selbst in der Türkei begeht mensch ihn, am 3. Sonntag im Juni, und er trägt den hübschen Namen „babalar günü“.

Das zur Internationalität des Tages, über die je individuellen Traditionen will ich mich nicht detailliert auslassen. Ich bin mir aber relativ sicher, dass sie entweder das Beschenken im Familienkreise oder das Saufen im Freundeskreis zum Inhalt haben.

Nur, was hat in deutschen Landen Christi Himmelfahrt mit alledem zu tun? Der Herr war der Überlieferung nach Single, und nirgendwo habe ich was von Kindern im Zusammenhang mit seiner Person gelesen. Er hat mal aus Wasser Wein gepanscht, aber dass er demselben exzessiv zugesprochen hätte, wird auch nirgendwo überliefert.

Messerscharf schließe ich: Vattatach hat mit Himmelfahrt nix zu tun. Vielleicht weil es ein Feiertag ist, vielleicht heute auch, weil man die Brücke ins Wochenende schlagen kann und folglich die Rauschreste bei der Arbeit nicht gar so hinderlich werden. Mehr fällt mir aber nicht dazu ein. Mir fällt zum deutschen Vatertag eigentlich von jeher nichts Gescheites ein.

Und nun, da er fast beendet ist und manche komatös auf der Couch liegen oder andere an der alljährlichen Verdreifachnung von Schlägereien oder Verkehrsunfällen beteiligt sind, leere ich ein köstliches Glas Rotwein und sage meinen Freunden ein fröhliches „Wohlsein“!

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