Schon wieder so ein Coup: Jonathan Meese soll die Dortmunder Ostwall-Sammlung umgestalten

Und schon wieder ist von einem Dortmunder Coup zu reden, der dem Museum Ostwall im Dortmunder „U“ mindestens bundesweite, wenn nicht gar internationale Aufmerksamkeit sichern wird: Der – gelinde gesagt – nicht immer unumstrittene Künstler Jonathan Meese wird die Sammlung des Hauses neu kuratieren, die somit abermals in gehörige Bewegung geraten wird.

Im Museum Ostwall: Jonathan Meese salutiert vor ERnst Ludwig Kirchners "Stafelalp im Mondschein" (1919) (Foto: Tim van Laere)

Im Museum Ostwall: Jonathan Meese salutiert vor Ernst Ludwig Kirchners „Stafelalp im Mondschein“ (1919). (Foto: Tim van Laere)

Bis Herbst 2019 (geplante Eröffnung: 4. Oktober) soll Meese die Bestände um und um gewendet haben, so dass sich für ein Jahr wiederum andere Perspektiven darbieten. So paradox es klingen mag: Von Überraschungen ist dabei unter Garantie auszugehen. Mal schauen, welche womöglich ungeahnten Strukturen und Bezüge der Künstler dem Dortmunder Eigenbesitz abgewinnen wird.

Erst seit kurzem zeigt sich die vormals in Ehren ergraute Sammlung, kundig neu geordnet von Nicole Grothe, unter dem Titel „Fast wie im echten Leben“ auf erfrischend andere Weise. Umso gespannter darf man sein, was im Gefolge ein Mann wie Jonathan Meese daraus macht. Wenn’s richtig gut läuft, entsteht hier eine neue Pilgerstätte der Kunst im Ruhrgebiet – und weit darüber hinaus.

Der Direktor des „Dortmunder U“ (und damit auch des Museums Ostwall), der Niederländer Edwin Jacobs, hat damit bereits den zweiten Aufsehen erregenden Glücksgriff seiner immer noch jungen Amtszeit getan: Im September 2018 soll die erste museale Retrospektive der Kultband „Pink Floyd“ ins Museum Ostwall kommen, die zuvor nur in London und Rom zu erleben ist bzw. war.

Nun also Jonathan Meese, der in den nächsten Monaten immer mal wieder im Dortmunder „U“ auftauchen dürfte, um mit seinem Team und den Museumsleuten das Projekt voranzubringen. Wie es heißt, haben es ihm besonders die in Dortmund versammelten Expressionisten angetan.

Es ist wohl keine Frage, dass er die Sammlung auch von sehr subjektiven und radikalen Standpunkten aus aufrollen wird. Der Arbeitstitel in Dortmund lautet jedenfals „Sammlung ‚Keine Angst‘ (Dr. Nullzensur)“.

Auch Max Beckmanns "Selbstbildnis mit Zigarette" (1947) scheint Meese zu gefallen. (Foto: Tim van Laere)

Auch Max Beckmanns „Selbstbildnis mit Zigarette“ (1947) scheint Meese zu gefallen. (Foto: Tim van Laere)

Auf dem Weg über Mythen, Sagen und Ideologien, mit denen er sich (auch im Gefolge eines Anselm Kiefer) vorzugsweise und immer wieder befasst, wird er sicherlich eigene Arbeiten und/oder Performances ins Spiel bringen, zumindest als Seh- und Herangehensweise, wenn nicht ganz konkret. Das alles wird sich – auch im Zusammenwirken mit dem Ostwall-Team – nach und nach entwickeln.

Wir wollen es nicht verschweigen: Skandalträchtig und gerichtsnotorisch waren einige seiner Auftritte, in deren Rahmen Meese den verbotenen Hitlergruß gezeigt hat. In allen Fällen wurde er allerdings freigesprochen, und es wurde ihm Kunstfreiheit zugestanden.

Wenn ich mir noch eine unqualifizierte Bemerkung nebenher erlauben darf: Die städtische Pressestelle hat von einem Einstandsbesuch Meeses in Dortmund einige Fotos geschickt (siehe Beispiele). Und ich muss sagen: Vom Outfit her passt Jonathan Meese schon mal recht gut zu dieser Stadt. Ihr wisst schon, wie ich’s meine.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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2 Antworten zu Schon wieder so ein Coup: Jonathan Meese soll die Dortmunder Ostwall-Sammlung umgestalten

  1. Karl H. Lötzer sagt:

    Edwin Jacobs sägt mit mehreren eklatanten Mißverständnissen von Kulturarbeit am eigenen Stuhl. Zur Rettung des ein geschlafenen Rolltreppemuseums mit Winkelmanns langweiligen fliegenden Goldfisch-Bildern als Millionengrab in einem ansonsten erschreckenden architektonischen und städtebaulichen Umfeld will er jetzt mit Mega-Events das überregioale Publikum anlocken. Wenn man die Fink-Floyd-Show im Victoria & Albert Museum in London gesehen hat ahnt man, dass nach einer kurzen und heftigen Medien-Hype, das ganze Projekt zu einem neuen Millionengrab wird. Das Publikum von 1982, das ich jeden Tag als Mitglied der Crew in der Westfalenhalle erleben durfte, war damals schon recht gutbürgerlich und roch nach kiffenden Lehrern, die Probleme mit der Kunst an sich hatten. Am besten hat ihnen daher das alberne aus der Kuppel stürzende Schwein, die cartoonesken Filmsequenzen und die donnernde kaputte Bühnenarchitektur aus Pappmaschee gefallen. Huch – wie progressiv? Das einzig gute an dieser Elendsmusik aus Waters Hand war der noch glattere und perfektioniertere Graham Parsons, der versteckt hinter dem Vorhang saß und sämtliche Musikapperaturen und Computer aleine bediente. Von Syd Barrets genialen und klaren Kompositionen in der Folge der Moderne blieb bei der donnernden Gefühlsdusselei nicht mehr viel übrig, außer dass es die alberne Droge jetzt auf Krankenschein gibt.
    Bei Meese jedoch wird es mit Sicherheit den fest eingeplanten Aufstand des „gesunden Volksempfindens“ geben, weil sich natürlich keiner mit Meese wirklich auseinandergesetzt hat. Die selbsternannten „Kunstkenner“, die Meese auf „Mutti, Kampfgruß und Diktatur der Kunst“ reduzieren, sind nicht in der Lage im Meese’schen „Propagandawerk“ die komplette Entlarvung der Mechanismen faschistischer Ästhetik zu Erkennen und sprechen im nach Dortmunder Methode zur Vorsicht schon mal die künstlerischen Fähigkeiten oder die Fähigkeit des Kuratierens ab. Kein anderer als Meese wäre besser geeignet, die eingeschlafenen Vermittlungsmethoden expressionistischer Kunst aufzubrechen und neu zu präsentieren. Dieser Ansatz ist viel wichtiger als rüchwärtsgewandte Pink-Floyd-Mega-Events für ein Publikum, das es seit 35 Jahren nicht mehr gibt oder den Weg vom Bahnhof zum U-Turm nur noch mit ärztlicher Betreuung bewältigen können. Macht lieber wie früher einfach nur interessante Ausstellungen.

  2. In einer seiner Antrittsreden sprach Edwin Jacobs davon, dass für ihn die Verbindung der Sammlung zu den Dortmunder Bürgern/innen ein sehr wichtiger Schritt sei. Mit der Kooperation von Jonathan Messe, der auf Mutti, Kampfgruß und Diktatur der Kunst macht, könnte also der geplante Schritt ‚genial‘ vollzogen werden: Echte Liebe, Kampfgesänge und das Volk kämen zur Meese Mixtur dazu. Das könnte ein richtiges Mega-Event für die Presse werden.
    Ich sehe das schon vor meinem geistigen Auge: Meese und über 100 Dortmunder Bürger malen öffentlich auf dem Vorplatz des U – z.B. Selbstportraits inspiriert vom Werk von Max Beckmann. Da Meese ja schneller malt als andere eine Skizze für ein Kunstwerk erstellen, könnten seine Selbstportraits (ca. 100 Stück in 4 Stunden) von einem internationalen Auktionator zugunsten der angeschlagenen Finanzkasse des U versteigert werden. Die Mütter aller Beteiligten organisieren das Event.
    Das wäre mal wirklich ein Akt der ‚Diktatur der Kunst‘.

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