Schleich spielen

Blick in einen Schleich-Pferdestall. (Foto: BB)

Blick in einen Schleich-Pferdestall. (Foto: BB)

Schon mal von Schleich gehört? Nein, nicht Scheich, sondern: Schleich. Und auch nicht Schleichwerbung, obwohl dies hier als solche missverstanden werden könnte.

Schleich also. Das ist eine 1935 in Stuttgart gegründete, heute am Hauptsitz Schwäbisch Gmünd angesiedelte Firma, die für gutes Geld Tierfiguren und menschenförmiges Zubehör (Reiter, Tierpfleger etc.) in ziemlich naturgetreuer Ausführung herstellt; außerdem Sächliches, das ebenso in diesen Kosmos gehört – vom weitläufigen Reiterhof über Heuballen bis hin zur Pferdestriegelbürste und zum Waschplatz.

Alles besteht aus robustem, widerstandsfähigem Hartgummi, das dem Prädikat „unkaputtbar“ recht nahe kommt. Das muss man ihnen lassen. Aber die Dinge haben halt auch ihren Preis. Einige gebrauchte Figuren besitzen mitunter gar Liebhaber- und Sammlerwert, beispielsweise ein Hufschmied.

Pferdeinvasion in den Kinderzimmern

Man glaubt gar nicht, wie viele Pferderassen es auch in Spielzeugform gibt. (Foto: BB)

Erstaunlich, wie viele Pferdesorten es auch in Spielzeugform gibt. (Foto: BB)

Es ist nicht auszuschließen, dass gewisse Teile der Republik mit Schleich geradezu überschwemmt worden sind. Weit überwiegend sind es wohl Mädchen so etwa zwischen 6 und 12 Jahren, die damit ebenso hingebungsvoll wie ausdauernd spielen. Wenn sie sich dazu verabreden, sagen sie nicht, dass sie mit ihren Pferden spielen wollen, sondern sie drücken sich ungefähr so aus: „Lass uns Schleich spielen…“ Etwas Besseres kann einer Firma gar nicht passieren, als diese Gleichstellung von Marke und Gegenstand: „Hast du mal ein Tempo-Tuch für mich?“

Man stelle sich eine Nachbarschaft vor, in der gleich mehrere Mädchen im Schleich-Alter sind. Addiert man sodann die Anzahl der vorhandenen Pferde, so kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Es reichen ja nicht jeweils zwei oder drei Rösser, sondern die Kataloge verlocken beinahe unwiderstehlich dazu, einen umfangreichen, wenn nicht „kompletten“ Bestand anzustreben. Einige Pferderassen sind ja schon vorhanden, aber da fehlt ja noch der Knabstrupper… und, und, und.

Greift nur hinein ins volle Pferdeleben... (Foto: BB)

Greift nur hinein ins volle Pferdeleben… (Foto: BB)

Schwaben-Image, made in China

Untrügliches Zeichen des Kultverdachts: 2019 soll der erste Schleich-Kinofilm auf den Markt kommen. Schon jetzt gibt es zahlreiche einschlägige YouTube-Filmchen, die mit treuherzig animierten Streifen über Playmobil-Produkte (Insider sagen „Playmo“) konkurrieren, ich nenne nur das Stichwort „Familie Hauser“… Seelisch gefestigte Menschen mögen sich das mit einer Suchmaschine erschließen.

Der wirtschaftliche Hintergrund der Spielzeugwelt ist natürlich ungleich nüchterner: Gefertigt werden die Figuren (darunter auch viele Bauernhof- und Zootiere) längst vorwiegend in China, außerdem in Bosnien, Rumänien und Moldawien – immerhin offensichtlich bei anerkannter Einhaltung der Arbeits- und Sozialstandards. Das solide schwäbische Image der Firma Schleich wird zwar gepflegt, doch via Wikipedia erfährt man, dass sie zu 80% einem französischen Investor gehört. Auch Kapitalisten spielen eben gerne Schleich.

 

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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