„Kunst & Kohle“ in den Ruhrkunstmuseen: Das bequeme Konzept der kleinen Portionen

Die Ausstellungen zum Ende der Steinkohle-Ära („Kunst & Kohle“ sowie „Das Zeitalter der Kohle“) sind in den Revierpassagen Ende April und Anfang Mai ausführlich besprochen worden. Nun meldet Rolf Pfeiffer Kritik am Gesamtkonzept von „Kunst & Kohle“ an:

Da nun gottlob die letzte deutsche Steinkohlezeche ihre Förderung einstellen wird, mußte ein Kunstprojekt her, begleitend sozusagen. Es heißt „Kunst & Kohle“ und wird von zahlreichen Museen der Region veranstaltet, die gemeinsam unter der Bezeichnung „Ruhrkunstmuseen“ firmieren.

Hermann Kätelhön: "Hochofen", undatiert Radierung, 33,3 x 26,2 cm (Bild: Museum Folkwang, Essen)

Hermann Kätelhön: „Hochofen“, undatiert Radierung, 33,3 x 26,2 cm (Bild: Museum Folkwang, Essen)

„Kunst & Kohle“ wird sogar beworben, die Plakate dominieren harte Schwarz- und Weißtöne, was auch sonst. Ein großer Wurf ist dieses Ausstellungsprojekt aber dennoch nicht, eher ärgerlicher Ausdruck institutioneller Bequemlichkeit, der das Publikumsinteresse, das man ja sowieso nicht so genau kennt, egal ist.

Bechers und die Farbe Schwarz

Das Konzept von „Kunst & Kohle“ sieht vor, daß in jedem der 20 beteiligten Häuser zwischen Hamm und Oberhausen eine Sonderschau sich des Themas annimmt. Die Galerie unter Tage der Ruhruni Bochum etwa widmet sich der Farbe (bzw. „Nicht-Farbe“) Schwarz, das Bottroper Quadrat zeigt (einmal mehr) fotografierte Fördertürme, Hochöfen etc. der Bechers, Folkwang in Essen präsentiert den Industriemaler Hermann Kätelhön, und so fort. Das klingt nicht schlecht, heißt aber im Konkreten, daß man mit wenigen Ausnahmen (wie Küppersmühle, DKM und Lehmbruck in Duisburg) ausgesprochen kleine Sonderschauen zu sehen bekommt. Da macht dann ein Museum nicht satt, man muß schon mehrere abklappern, um ein hinreichendes Quantum Kunst zu erhalten. Und das Dilemma wird sichtbar.

Lohnt sich das?

Lohnt es sich, beispielsweise für eine einzelne Installation von Andreas Golinski zum Kunstmuseum Bochum zu reisen? Auch wenn der Künstler genau so heißt wie der amtierende Museumsdirektor, sind die beiden nicht miteinander verwandt, und das ist lustig, aber leider kein Argument. Gewürdigt werden müssen die Faktoren, die immer da sind: Lohnt der Museumsbesuch den Aufwand an Zeit und Fahrtkosten, die nervige Parkplatzsuche, die absehbare nächste Schweißattacke auf dem Fußweg in der prallen Sonne? Bei fast allen kleineren Häusern würde ich spontan sagen: nein, es lohnt sich nicht, nicht für die geringe Menge an ausgestellten Arbeiten (was keine qualitative Wertung ist).

Derzeit in der Küppersmühle zu sehen: Anselm Kiefers „Klingsors Garten“ von 2018 (Detail/Installationsansicht). Die Arbeit stammt aus einer Privatsammlung. (Bild: Anselm Kiefer, Henning Krause, Museum Küppersmühle MKM)

Teures Kombiticket

Ein Zweites kommt hinzu. Die Ruhrkunstmuseen nach Ruhrkunstmuseen-Konzept abzuklappern, ist schon von den Eintrittsgeldern her eine teure Angelegenheit, denn es gelten in jedem Haus die normalen Preise. Das angebotene Kombiticket ist mit 25 Euro unverschämt teuer. Zwar gilt es für die gesamte Laufzeit, aber die Zahl derer, die sich mehrere Male aufmachen, um Kunst in Kleckerportionen zu konsumieren, dürfte übersichtlich sein. Nur mal zum Vergleich: Die Bundeskunsthalle in Bonn nimmt 15 Euro, Museum Kunstpalast in Düsseldorf 14 Euro, Museum Ludwig in Köln gar nur 12 Euro. Und in diesem Häusern gibt es ordentlich was zu sehen.

Nur das Beste an einem Ort

Der Vergleich hinkt? Ja natürlich. Aber er läßt doch ahnen, wie eine publikumsfreundliche Kunstausstellung zum Kohleausstieg aussehen könnte. Man würde sie auf wenige, vielleicht auch nur einen Standort konzentrieren, wo zusammengetragen, präsentiert und inszeniert würde, was die beteiligten Häuser beitragen könnten. Es wäre dies das Beste, Eindrucksvollste, nennen Sie es, wie Sie wollen. Die Realisierung einer solchen Schau, eines über die Grenzen der Region und des Landes weit hinausstrahlenden „Highlights“ könnte man vertrauensvoll bei den Ruhrkunstmuseen belassen, schließlich existiert dort eine gewaltige Menge kuratorischer Manpower. Und falls die es doch nicht auf den Pinn kriegten, könnte man auch einen Star der internationalen Kuratoren-Szene engagieren.

Die Vorteile für das Publikum liegen auf der Hand: ein einziger Ort (randvoll mit Kunst), nur eine Anreise, nur eine einfache Planung. Übrigens wäre der Zentralort auch unter ökologischen Aspekten einer Herumjuckelei im Kohleland vorzuziehen, auch jener mit dem nervigen ÖPNV.

Warum konkurrieren?

Doch das alles hätte viel Arbeit bedeutet, und viele gute Ideen und Entwürfe wären zwangsläufig im Papierkorb gelandet. Auch besteht bei einem solchen Großprojekt ja immer die Gefahr, daß andere den Lorbeer einheimsen, der eigentlich einem selbst zusteht. Warum also konkurrieren? So wie es jetzt ist, bleibt jeder sein eigener kleiner Museumsfürst. Das Volk kommt oder es kommt nicht (bei kleineren Häusern eher: nicht). Doch wenigstens dürfen die Besucher das Rad benutzen, Streckenpläne wurden ausgearbeitet.

Hier geht’s los: Die Standseilbahn im historischen Schrägaufzug der Kokerei Zollverein (Bild: Ruhrmuseum)

Zollverein lohnt sich

Um es nicht zu verschweigen: Eine große Ausstellung gibt es schon, nur dreht die sich eher um die wirtschaftlichen, technischen, sozialen, historischen usw. Aspekte des Kohlebergbaus. Sie heißt „Das Zeitalter der Kohle“ und ist in der Kokerei Zollverein in Essen untergebracht, in jenen imposant-schaurigen Baulichkeiten, wo schon die allererste Ausstellung „Sonne, Mond und Sterne“ das Kohle-Thema streifte, wo Andrea Breth tief verstörendes Theater inszenierte und Industriekultur und „Hochkultur“ (unter anderem in Gestalt der Ruhrtriennale) sich immer wieder auf das Eindrucksvollste begegnen. Mit einer Standseilbahn im Schrägaufzug kommt man hin, und sieht man einmal von der peinlichen Beschallung durch das Steigerlied im Eingangsbereich ab, ist diese Ausstellung durchaus überzeugend geraten. Der Eintritt kostet 10 Euro, und das Kombiticket der Kunstmuseen ist hier selbstverständlich nicht gültig.

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