Schlagwort-Archive: Cees Nooteboom

Finsteres Fazit: Cees Nootebooms „Abschied. Gedicht aus der Zeit des Virus“

Als Journalist und Lyriker, Romancier und notorisch Reisender ist Cees Nooteboom ständig unterwegs, beobachtet, beschreibt, erfindet sich und die Welt neu. In Venedig sucht er Schönheit und Vergänglichkeit, in Berlin ist er dabei, wenn die Mauer gebaut wird und wenn sie wieder fällt. Das verlorene Paradies findet er mal gleich nebenan, mal auf den Traumpfaden der Aborigines in Australien. „Abschied“ heißt das neue Buch des inzwischen 87-jährigen Autors. Der Untertitel lautet „Gedicht aus der Zeit des Virus“.

Doch Nooteboom macht sich keinen Reim auf die Pandemie, sie ist nur als Bedrohung im Hintergrund wahrnehmbar: eine Metapher für das Verschwinden und Vergehen, das ihn als Mensch und Autor erwartet. Ein Gedicht über das Leben und den Tod. Das Virus war noch … Weiterlesen

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Der Flaneur braucht kein Ziel

In der Regel hat der Weg in der westlichen Leistungsgesellschaft ein Ziel. Man geht zur Arbeit oder zum Supermarkt, man muss Behördengänge erledigen, die alte Mutter besuchen, für den Halbmarathon trainieren, Schuhe kaufen oder wenigstens Brötchen holen. Auch die systematische Besichtigung historischer Innenstädte in artigen Gruppen oder mit Hilfe eines gedruckten Reiseführers ist durchaus üblich.

Der Flaneur (aus dem Französischen: flaner = umherstreifen, schlendern) braucht alle diese Gründe nicht, um stundenlang durch eine Stadt zu bummeln. Er hat keine Eile, er lässt sich treiben. Mal beobachtet er die Schwäne auf dem Stadtteich, mal lauscht er einem Straßenmusiker, mal trinkt er einen Espresso, sieht Passanten hinterher und lässt die Zeit vergehen. Ein Flaneur verfolgt keinerlei praktischen, wirtschaftlichen oder sportlichen Nutzen. Er … Weiterlesen

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Der Meeresgott schweigt – Cees Nootebooms „Briefe an Poseidon“

Gefallen an ungewöhnlichen Gedankenspielen und Bereitschaft, sich auf Mystisches und Mythologisches einzulassen, sollten die Leser der „Briefe an Poseidon“ auf jeden Fall mitbringen. Es ist schon ein eigenwilliges Buch, das Cees Nooteboom geschrieben hat, in dessen Tiefen es sich aber durchaus einzutauchen lohnt.

In vielen kurzen, prägnanten Episoden schreibt der Autor über Begebenheiten, die ihn berührt haben. Nun richtet er seine Texte allerdings an einen Adressaten, von dem er wohl gerne eine Antwort hätte, aber sie kaum erhalten wird. Nooteboom wendet sich an den Meeresgott Poseidon. Dass nun gerade diese griechische Gestalt zur Projektionsfläche wird, ist ebenso Zufall wie die Ereignisse, von denen der Autor erzählt. Es war an einem Februartag 2008 auf dem Münchener Viktualienmarkt, als er in einem … Weiterlesen

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Was uns ins ferne Länder lockt – Cees Nootebooms „Schiffstagebuch“

Das kennen alle Menschen, die jemals von Fernweh ergriffen worden sind: Schon die bloße Nennung von Ländern und Städten oder ihr bloßer Anblick auf Landkarten kann einen dazu verführen, sich auf den Weg zu machen.

Auch Cees Nooteboom, einer der großen Reisenden der Gegenwartsliteratur, lässt sich auf diese Weise durch die Welt treiben: „…immer waren es Namen, die mich irgendwohin gelockt haben.“ Wer derart ins Ungewisse aufbricht, der will immer und immer hinter die jeweils nächste Wegbiegung schauen. Ein Ding der Unmöglichkeit. Irgendwann muss man aufhören, und sei’s mit der ganzen Lebensreise. Manches sehen heißt noch mehr versäumen. Und doch bleibt diese „Sehnsucht nach einer ewigen Bewegung ohne Ankunft und Aufbruch“.

Nootebooms „Schiffstagebuch“ ist längst nicht nur Wegbeschreibung und Ortserkundung, … Weiterlesen

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Heimatlose Engel – Cees Nootebooms „Paradies verloren“

Höchst merkwürdige Wandlungen und Metamorphosen gehen im neuen Roman von Cees Nooteboom vor sich. Die junge Alma gerät in ein Elendsviertel von Sao Paulo und wird dort von einer ganzen Horde vergewaltigt. Kann sie nach diesem höllischen Erleiden jemals wieder ein halbwegs normales Leben führen?

Raumgreifender Szenenwechsel. Ein paar Kapitel später durchstreift sie mit ihrer Freundin Almut die Weiten und Wüsten von Australien. Sie sucht ein Ersatz-Paradies in den nomadischen Mythen der Aborigines, der Ureinwohner also; ganz im Geiste des früh verstorbenen ,,Traumpfade“-Autors Bruce Chatwyn, der freilich nicht ausdrücklich genannt wird. Doch auch diese urzeitliche Vorstellungswelt ist von den Marktkräften der Zivilisation vernichtet worden. Die rätselhaften Bilder der Aborigines machen nur noch weiße Galeristen reich.

Die Suche nach dem verlorenen … Weiterlesen

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Ein Zeitreisender in fremden Weltzonen – „Nootebooms Hotel“

Von Bernd Berke

Bis in die letzten Winkel der Erde dringen sie vor und lassen ihre Leser später an der oft verstörenden Fremde teilhaben – die großen Reisenden der Literatur. Der famose, so früh verstorbene Engländer Bruce Chatwin („Traumpfade“, „Mein Patagonien“) zählte zu ihnen. Und auch der Holländer Cees Nooteboom („Rituale“) gehört dem Menschenschlag an, der immerzu in die Ferne strebt.

Mit „Nootebooms Hotel“ liegen nun gesammelte Aufzeichnungen aus den Jahren 1968 bis 2000 vor. Sie handeln nicht nur von entlegenen Ländern, sondern auch von Aufenthalten in Venedig oder Berlin, zudem von Erkundungs-„Fahrten“ durch Gefilde der Literatur, der bildenden Kunst – und nicht zuletzt von Zeitreisen durch die eigene Vorstellungswelt. Hinzu kommen Interviews und Begegnungen, etwa mit Federico Fellini, Umberto … Weiterlesen

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Auf der Suche nach dem Gleichgewicht – Cees Nootebooms „Der Buddha hinter dem Bretterzaun“

Von Bernd Berke

Cees Nooteboom muß man, spätestens seit der letzten Buchmesse, als er mitsamt der niederiändisch-flämischen Literatur im Mittelpunkt stand, kaum noch vorstellen. Er gilt als Kandidat für den Literaturnobelpreis, sein Buch „Rituale“ steht seit Monaten auf der Bestsellerliste. Jetzt liegt eine neue Erzählung von ihm vor.

In „Der Buddha hinter dem Bretterzaun“ beweist er seine Meisterschaft an einem Thema, das man nicht mehr für prosatauglich gehalten hätte. Denn über Thailands Hauptstadt Bangkok, so meinte man, ist doch in mehr oder minder seriösen Reportagen schon alles gesagt worden.

Nooteboom läßt einen Reisenden durch die Metropole streifen und gleich der im Titel erwähnten Figur begegnen. Hinter jenem Bretterzaun belebt sich „ein dicker Woolworth-Buddha, zwanzigstes Jahrhundert…“ Der öffnet dem Reisenden die … Weiterlesen

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