Von Bernd Berke
Köln. Ein US-Pilot des Zweiten Weltkriegs kommt schwerverwundet ins Lazarett. Medizinische Sensation: Er kann sich kaum noch bewegen, hat aber bis zum Tod eine Dauer-Erektion.
Nach Verstreichen einer kurzen Schamfrist zieht Krankenschwester Jenny Fields Nutzen aus dieser stehenden Tatsache und schenkt bald darauf einem Knaben das Leben. Sie wollte ein Kind, aber keinen Vater. Sie brauchte Samen, aber keine „Wollust“, wie sie das verächtlich nennt. Diesem verwegenen Einfall des Bestsellerautors John Irving verdankt „Garp“ sein Dasein. Die Verfilmung „Garp (und wie er die Welt sah)“, ein schon 1982 verfertigtes Werk von George Roy Hill („Der Clou“), kommt ab morgen in unsere Kinos.
Mutter Jenny und Sohn Garp sind zwar ein wenig „anders als die Anderen“, sprich anders als die weiße Mittelschicht in der tiefsten US-Provinz; doch wo etwa David Lynchs Film „Blue Velvet“ in eben diesem Milieu wahrhaft erschreckende Abgründe aufriß, bleibt die „Garp“-Verfilmung ein Kuriositäten-Kabinett. Was im Buch detailreich ausgeführt wird, ist hier herbeigezerrte Episode. Für Zusammenhalt in der diffusen Lebensgeschichte sorgen da nur jene seltsamen Wiederholungen: Eine Dirne taucht unvermittelt in verschiedensten Zusammenhängen auf; ein häßliches und neidisches Mädchen macht Garp – im Zehnjahresabstand zwischen Doktorspiel und Jugendliebe – mehrfach bei erotischen „Gehversuchen“ Schwierigkeiten.
Nachdem Garps Pubertät, die hier praktisch nur aus Sexualnöten besteht, überstanden ist, fangen Jenny und er aus heiterem Himmel an zu schriftstellern. Sie verfaßt eine Feministinnen-Bibel gegen die ekle männliche Wollust, er furchtbar traurige Kurzgeschichten. Sie gründet ein Asyl für vergewaltigte Frauen (einige haben sich zu Ehren eines geschändeten Mädchens die Zungen herausgeschnitten). Guter Geist des Hauses ist ein Transsexueller, Ex-Sportskanone, nun aber Frau aus ganzer Seele. Freizeit-Ringkämpfer Garp (liebenswert dargestellt von Robin Williams) gründet auch etwas: eine Familie.
Und so reiht sich, 131 Minuten lang, eine gewollt-bizarr wirkende Episode an die andere. Nicht alle Szenen sind übel, aber sie ergeben keinen Film, den man empfehlen müßte. Vielfach wird es geradezu zwanghaft anzüglich, z. B. wenn Garps Frau, Lehrerin von Beruf, mit einem ihrer Zöglinge fremdgeht. Der steht auch im Auto auf „oral“ – bis der harte Ruck bei einem Auffahrunfall ihm das ein für allemal verleidet.
Der zum Vorspann laufende Beatles-Song „When I’m SixtyFour“ (Wenn ich 64 bin) kann hier nur als Ironie verstanden werden. Die Hauptpersonen sterben plötzliche und gewaltsame Tode. Im Film wirkt das wie ein schlecht motivierter Wutanfall gegen die Figuren.