Hamm kann seine Ägypten-Sammlung endlich im größeren Rahmen zeigen

Wo befindet sich die größte Ägypten-Sammlung des Ruhrgebiets? Die Antwort mag überraschen: in Hamm.

Auch in ganz Westfalen hat die Kollektion nicht ihresgleichen. Das lässt sich jetzt noch besser nachvollziehen: Ab Sonntag (30. August) kann man die wesentlichen Schaustücke auf verdoppelter Ausstellungsfläche sehen. Ein durchaus angemessener Rahmen.

Sarkophag wiegt 7,5 Tonnen

Der Umbau des Hammer Gustav-Lübcke-Museums hat der ägyptologischen Sammlung endlich einen eigenen, über 500 Quadratmeter großen Bereich beschert. Dank zeitgemäßer Klimatisierung erhält das Haus jetzt auch leichter Leihgaben, beispielsweise die Hauptattraktion der neu geordneten Schau, einen rund 4000 Jahre alten Granitsarkophag des Beamten Sechem-ka. Das imposante, 7,5 Tonnen schwere Stück bleibt als Dauerleihgabe des Roemer- und Pelizaeus-Museums (Hildesheim) in Hamm.

Hildesheimer Dauerleihgabe für Hamm: über 4000 Jahre alter Granitsarkophag des Sechem-ka. (Foto: Bernd Berke)

Hildesheimer Dauerleihgabe für Hamm: über 4000 Jahre alter Granitsarkophag des Sechem-ka. (Foto: Bernd Berke)

Ungleich kleiner ist ein weiterer Stolz des Museums: Zum Eigenbesitz zählt eine grünlich schimmerne Originalringplatte des weltberühmten Tutanchamun, die allerdings mit bloßem Auge so schwer zu erkennen ist, dass man eine fotografische Vergrößerung direkt darüber gesetzt hat. Gleichwohl meint man da eine Aura zu spüren…

Totenkult und Hieroglyphen

Kuratorin Carola Nafroth hat die beachtliche Ägypten-Abteilung in zehn dicht gestaffelte Themenfelder aufgeteilt. Da geht es z. B. um den Totenkult, um die Hieroglyphenschrift und um alltägliche Verrichtungen wie Handwerk und Schmuckherstellung. Ein kleiner Tempelnachbau erweist sich als geheimes Zentrum der Ausstellung. Auch nachpharaonische Epochen und ihre Protagonisten (Ptolemäer, Römer, Kopten) geraten noch kurz in den Blick.

Grabbeigabe: Schiffsmodell (ca. 2119 bis 1976 v. Chr.) (Foto: Stadt Hamm/Thorsten Hübner)

Grabbeigabe: Schiffsmodell (ca. 2119 bis 1976 v. Chr.) (Foto: Stadt Hamm/Thorsten Hübner)

Zu all diesen Bereichen gibt es prägnante Belegstücke, zwar nicht immer in Hülle und Fülle, doch in anregender Menge. Hie und da behilft man sich mit Repliken, doch überwiegen die Originalfunde. Spürbar ist das Bemühen, rundum eine „ägyptische“ Atmosphäre zu schaffen, so etwa mit Bilderfenstern, stilecht verzierten Säulen und Obelisken, auf denen kurze Einführungstexte stehen.

Als der „Mumienverein“ aktiv wurde

Wie kommt es überhaupt, dass gerade in Hamm derlei Schätze aus dem alten Ägypten gehortet werden? Nun, es gab direkte Kontakte zu frühen archäologischen Ausgräbern. Daraus entwickelte sich eine regelrechte Ägyptomanie, die 1886 zur Gründung eines „Mumienvereins“ in Hamm führte. Erklärtes Ziel war es, eine veritable ägyptische Mumie in die Stadt zu holen. Um das kostspielige Vorhaben umzusetzen, wurden eigens „Mumien-Aktien“ zu je 20 Mark ausgegeben.

Götterfamilie: Osiris und Isis mit Horus. (Foto: Stadt Hamm/Thorsten Hübner)

Götterfamilie: Osiris und Isis mit Horus. (Foto: Stadt Hamm/Thorsten Hübner)

Tatsächlich gelang es, eine Mumie nach Hamm zu bringen. Zeitweise war sie – mangels Museum – in einer Gaststätte für ein paar Pfennige Eintrittsgeld zu besichtigen. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie zerstört, doch besaß man in Hamm, auch durch die Sammeltätigkeit Gustav Lübckes, mittlerweile etliche Kleinode aus Altägypten.

Museum ist jetzt wieder komplett

Mit der Neueröffnung der Ägyptensammlung ist das Museum jetzt wieder komplett. Sukzessive sind seit dem Frühjahr alle Abteilungen in veränderter Form wieder zugänglich gemacht worden: Stadtgeschichte, Kunst des 20. Jahrhunderts, Archäologie und Angewandte Kunst. Die ausgewählten Altertümer Ägyptens gelten freilich als Kernbestand, Museumsleiterin Dr. Friederike Daugelat und ihr Team betrachten diese Sammlung als eine Art Alleinstellungsmerkmal und rechnen auch mit Anreisen aus weiter entfernten Gegenden.

Besonderen Wert legt man in Hamm auf die Vermittlung. Beileibe nicht alle kennen sich mit dem Alten und Mittleren Reich Ägyptens aus, um nicht zu sagen: fast niemand weiß da richtig Bescheid. Deshalb gibt es, neben den schriftlichen Infos in der Ausstellung, zwei kostenlos ausleihbare Audioguides – einen für Erwachsene, einen speziell für Kinder (ab etwa 8 Jahren), übrigens mit der Stimme von „Benjamin Blümchen“. Sehr sinnvoll: Beide Rundgänge sind exakt aufeinander abgestimmt und dauern jeweils 60 Minuten, in denen man das gesamte Lübcke-Museum kennenlernt. Wohlan denn, ab September haben wir sicherlich wieder öfter mal Museumswetter.

Gustav-Lübcke-Museum, Hamm, Neue Bahnhofstraße 9. Geöffnet Di-Sa 10-17 Uhr, So 10-18 Uhr. Infos: www.museum-hamm.de

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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