Witten erwägt Bilderverkäufe zur Baufinanzierung

Witten. Bahnt sich in Dortmunds Nachbargemeinde Witten ein Kulturskandal an? Es gibt offenbar Überlegungen bei der Stadt, einige Bilder aus dem Besitz des Märkischen Museums zu verkaufen, um Geld für den Neubau eines „Wissenszentrums“ zu beschaffen.

Derlei Verkäufe aus Beständen öffentlicher Museen sind verpönt. Sie gelten allenfalls als tragbar, wenn Sammelschwerpunkte behutsam begradigt werden sollen, keineswegs aber als Hilfsmittel zur Baufinanzierung. Vor Jahren gab es heftige Aufregung, als das Hagener Osthaus-Museum sich (aus ganz anderen Gründen) von einzelnen Werken trennte.

Jetzt also scheint’s Ärger in Witten zu geben. Eine neu begründete Kunstinitiative will bei den Plänen der Stadt ein gewichtiges Wörtchen mitreden. Rund 600 Unterschriften gegen die angeblich drohenden Bilderverkäufe (vorwiegend unterzeichneten Künstler, Professoren und Studenten) hat dieser Zusammenschluss fachkundiger Bürger bereits gesammelt.

Einer der Köpfe der Initiative ist Prof. Volker Lehnert, der in Witten wohnt und stellvertretender Leiter der Stuttgarter Kunstakademie ist. Er sagt: „Ein Bilderverkauf, um Beton zu finanzieren, wäre entweder heillos naiv oder perfide.“

Lehnert und seine Mitstreiter, darunter auch Wittens früherer Kulturdezernent Gert Buhren, furchten nicht nur einen Bilderverkauf. Das künftige Wissenszentrum soll Museum, Stadtbücherei und Stadtarchiv quasi unter einem Dach zusammenfassen. Dabei könnte, wenn es nach einer Machbarkeitsstudie geht, der Museumsanbau von 1988 komplett wegfallen, sprich: Die Ausstellungsfläche würde erheblich schrumpfen und sich nur noch auf den Altbau beschränken. Weitere Kritikpunkte der Initiative: Es gebe kein tragfähiges Museumskonzept, und es stehe nicht-einmal fest, ob der demnächst frei werdende Posten der Museumsleitung wieder ordentlich besetzt werde.

Das Wissenszentrum, sinnigerweise als Wittener Projekt für die Kulturhauptstadt Ruhr 2010 angemeldet, dürfte die unter Sparzwängen stehende Stadt rund 5 bis 7 Millionen Euro kosten – Geld, das erst einmal aufgebracht werden muss, eben eventuell auch durch besagte Bilderverkäufe. Unter anderem ist von einem Werk Emil Noldes die Rede. Kein Pappenstiel also.

Die Stadt möchte nun die Wogen glätten. Stadtsprecher Jochen Kompernaß erschien gestern zur eilends einberufenen Pressekonferenz der Kunstinititaive und beteuerte, es sei noch gar nichts entschieden. Man befinde sich beim Projekt „Wissenszentrum“ mitten in den Vorüberlegungen, und es werde öffentliche Anhörungen geben. Auf die weitere Entwicklung darf man gespannt sein.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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