Das Theater bleibt eine Baustelle: Spielzeiteröffnung in Düsseldorf mit Roman-Adaptionen nach Kafka und Vicki Baum

Szene aus „Menschen im Hotel“. Foto: Thomas Rabsch/Düsseldorfer Schauspielhaus

1:0 für die Kunst gegen den Boulevard: Zur Saisoneröffnung des Düsseldorfer Schauspielhauses schlägt „Das Schloss“ von Franz Kafka eindeutig Vicki Baums „Menschen im Hotel“.

Dabei war die Erwartung groß beim Betreten des Schauspielhauses durch die Terrassentür: Denn immer noch klafft die Baugrube im Gustaf-Gründgens-Platz, die Renovierung des großen Hauses dauert an. Aber mit der Dramatisierung von Vicki Baums Roman „Menschen im Hotel“ kam das erste Stück der Saison hier heraus, insgesamt sollen in der laufenden Spielzeit acht Inszenierungen im Schauspielhaus zu sehen sein.

Eigentlich unterhaltsam, aber…

Schade, dass der Blick in die Hotelhalle auf der Bühne (Florian Etti) gleich ein wenig dröge anmutet: Sachlich-modern statt 20er Jahre-schrill präsentiert sich dieses Grand-Hotel mitsamt seinem Personal. Im Grunde ist die Story ziemlich unterhaltsam, sie wurde in Hollywood mit Greta Garbo verfilmt und hat durch die Begegnungen der unterschiedlichsten Charaktere im Kosmos des Grand Hotels einiges an menschlichen Kuriositäten, Abgründen, Liebesverwirrungen und am Schluss sogar einen Mord zu bieten.

Doch irgendwie zündet dieser Boulevard in der Regie von Sönke Wortmann nicht recht: Als seien das Tempo, der richtige Rhythmus nicht gefunden. An den Schauspielern kann es eigentlich nicht liegen, sie machen ihre Sache gut, allen voran Lieke Hoppe als Sekretärin Flämmchen, die die Berliner Schnauze mit viel Gefühl und Witz verkörpert. Doch nicht nur das Schnoddrige, auch die Existenzängste und die Geldnot, die sie damit überspielen will, nimmt man dieser Figur ab. Andere sind eindimensionaler angelegt: Stefan Gorski spielt den weltgewandten Baron von Gaigern lässig-überzeugend, doch liebt er die Tänzerin Grusinskaya (Karin Pfammatter) wirklich, so wie er das behauptet?

Szene aus „Menschen im Hotel“. Foto: Thomas Rabsch

Trotz einer Menge sozialen Sprengstoffes versandet die Auflehnung der kleinen Leute wie z.B. des Buchhalters Kringelein (Torben Kessler) gegen die Bosse wie Generaldirektor Preysing (Peter Jordan) im Beliebigen. Das mag an der Vorlage liegen, doch wäre vielleicht auch diese Melancholie des Scheiterns eine dramatische Möglichkeit gewesen? Tatsächlich hat der Einspielfilm einer wilden Partynacht mehr Schwung als streckenweise das Bühnengeschehen. Das Publikum mochte den Abend trotzdem irgendwie und was zu lachen gab‘s ab und zu auch…

Szene aus „Das Schloss“
Foto: Thomas Rabsch

Abgründig schwarzer Witz

Doch kein Vergleich mit der zweiten Premiere in der Ausweichspielstätte Central am nächsten Abend: Schon das Bühnenbild mit verschiedenen Elementen aus roh gezimmerten Brettern (Christof Hetzer) überzeugt ästhetisch und bietet im Verlauf der Aufführung viel Raum für spielerische Aktionen: Wie die Gehilfen des Landvermessers (Nils Kretschmer und David Vormweg) darauf herumklettern oder gelangweilt ihren Fußball dagegen donnern, so tumb-pubertär und irgendwie gemein, das bringt schwarzen Witz in diese abgründige Inszenierung von Jan Philipp Gloger. Kafkas mysteriöses Schloss, in das der Landvermesser K. niemals vordringen, sondern immer nur flüchtige und zugleich verwirrend-sinnlose Einblicke gewinnen kann, liegt irgendwo im Zentrum dieser sich ständig drehenden und verschobenen Holzelemente. Aber vielleicht gibt es das Schloss auch gar nicht? Wie eine Zwiebel, die sich immer weiter häutet und die einfach keinen Kern hat.

Szene aus „Das Schloss“. Foto: Thomas Rabsch

Moritz Führmann spielt K.s Weg vom zunächst selbstbewussten Fremden, der sich aber nach und nach durch die Ablehnung der Dorfbewohner und die absurden Regeln, die die Mächtigen im Schloss aufstellen, zum zermürbten und gescheiterten Bittsteller entwickelt, grandios. Die Richtung heißt dabei abwärts. Zum Verhängnis werden ihm auch die Frauen: zunächst das Schankfräulein Frieda (Tabea Bettin), die er zu lieben glaubt, dann die intrigante Wirtin, die Claudia Hübbecker in ätzender Zickigkeit gibt. Zuletzt hat er nunmehr die Chance, sich in die Kammern der Dienstmädchen zu flüchten: Cennet Rüya Voß verkörpert Pepi äußerst temperamentvoll und charmant. Doch K.s Verstrickung in die undurchsichtigen Fänge der Bürokratie und seinen sozialen Abstieg kann auch sie nicht aufhalten.

Zwei Inszenierungen, basierend auf zwei Romanen: Ich gebe Kafka den Vorzug…

Infos, Karten und Termine: www.dhaus.de

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