Der Traum von einem ganz anderen Leben – „Bungalow“ nach Helene Hegemann in Düsseldorf uraufgeführt

Szenenbild aus „Bungalow“ nach dem Roman von Helene Hegemann (Foto: Thomas Rabsch)

Ein ganz anderes Leben leben – wer träumte nicht schon einmal davon? Für das Mädchen Charlie aber ist dieser Traum überlebenswichtig: Denn ihr Dasein in prekären Verhältnissen mit der alkoholkranken Mutter muss man wohl eher Dahinvegetieren nennen. Deswegen träumt sie sich aus ihrer verwahrlosten Sozialwohnung hinaus und hinein in den schicken Bungalow der reichen Nachbarn.

Das Düsseldorfer Schauspielhaus hat Helene Hegemanns neuen Roman „Bungalow“ (ihr berühmtes Debüt „Axolotl Roadkill“ stand unter Plagiatsvorwürfen und löste dann eine Debatte über Theorie und Praxis der Intertextualität aus) nun als Uraufführung herausgebracht, inszeniert von Simon Solberg.

Der Klimawandel ist schon Wirklichkeit

Den Besucher empfängt flackerndes Stroboskoplicht, auf der Bühne herrscht irgendwie Endzeitstimmung. Die innere Katastrophe in Charlies heruntergekommenem Zuhause entspricht einer Umgebung kurz vor der Sintflut. Stürme und Explosionen suchen die Bewohner dieses Großstadtviertels heim, hier ist der Klimawandel schon da und Charlie genießt ihn: Denn je mehr sich die Außenwelt auflöst, desto weniger schlimm erscheint ihr ihre zerrüttete Familie.

Die Mutter, grandios zerbrechlich gespielt von Judith Rosmair, wird als eine Art verkrachte Künstlerexistenz gesehen, großformatige skurrile Arbeiten, die immer wieder der Zerstörung anheimfallen, zeugen davon. Lea Ruckpaul als Charlie wirkt dagegen sogar recht robust, mit kräftigen Muskeln kann sie sich schon wehren, wenn ihr jemand dumm kommt. Doch einen anderen nahe an sich heranzulassen, das traut sie sich eher nicht. Darunter leidet auch Kindheitsfreund Iskender (Jonas Friedrich Leonhardi). Beide zusammen ergeben das Sinnbild verwahrlosten Teenagertums: Internetpornos gucken, Schule schwänzen, sich einsam fühlen, auch zu zweit. Wo ist hier der Ausweg?

Weiteres Szenenbild aus der „Bungalow“-Inszenierung. (Foto: Thomas Rabsch)

So lässig und so cool

Helene Hegemann findet einen sozialen: Denn in Sichtweite zu dem heruntergekommenen Wohnblock, in dem Charlie lebt, liegt eine Bungalow-Siedlung für gut Betuchte. Besonders das Ehepaar Maria (Minna Wündrich) und Georg (Sebastian Tessenow) hat es Charlie angetan, sie sind so lässig, so cool, sie nehmen das Leben von der leichten Seite und machen sich einfach über alles lustig, was Charlie erschreckt. Solberg hat die Szenen mit den beiden als Video-Einspielung konzipiert, eine Art schönen Film, den Charlie sich reinzieht. Doch sie will natürlich mehr, sie wird zur Stalkerin. Von den beiden erst belächelt, wird aus dem nervigen, verhungerten Kind später ein verruchtes Nymphchen, das mit dem Hausherrn Sex auf der Waschmaschine hat.

Tatsächlich ist es manchmal nicht ganz leicht, Stück und Roman auseinanderzuhalten, wenn man beides kennt. Lange Passagen werden als Dialog zitiert, andere Szenen entstehen im Kopf des Lesers bzw. Zuhörers, aber sind so gar nicht auf der Bühne zu sehen. Am Ende versucht Solberg eine Art Happy End im Unglück: Die Mutter landet in der Psychiatrie, doch die beiden Königskinder Charlie und Iskender finden zueinander.

Das Glamour-Ehepaar spielt plötzlich keine Rolle mehr. Vielleicht sind sie ausgezogen an einen anderen Ort, den es in Wirklichkeit nie gab – Hollywood oder so.

Karten und Termine:
www.dhaus.de

 

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