„Sammlung Berg“: Osthaus-Museum zeigt seine kostbare Erbschaft

Von Bernd Berke

Wenn die in Hagen ansässige Industrie- und Handelskammer (IHK) Südwestfalen ihre Jahreshauptversammlung zwischen lauter Kunstwerken abhält, muß das eine besondere Bewandtnis haben. So wie letzten Donnerstag im Hagener Osthaus-Museum.

Die Wirtschafts-Experten der Region, sonst vorrangig mit nüchternen Bilanzen befaßt, gerieten ins Schwärmen über ein bemerkenswertes Kunst-Erbe der Stadt: Die „Sammlung Berg“, mit kostbaren Bildern aus Impressionismus und Expressionismus, hebt, so freut sich auch Osthaus-Chef Dr. Michael Fehr, „das Niveau des Museums noch einmal spürbar an“. Arbeiten so berühmter Künstler wie u. a. Lyonel Feininger, Erich Heckel, Alexej Jawlensky, Ernst Ludwig Kirchner, Emild Nolde, Max Pechstein und Auguste Renoir rechtfertigen diesen Stolz.

Die neue Kollektion paßt so „angegossen“ zum bisherigen Sammlungsbestand, als hätte man sie gezielt auf dem Markt erworben, was wegen horrender Preise heutzutage praktisch unmöglich ist. Nur genaue Kenner des Museums an der Hochstraße werden denn auch auf Anhieb alle neuen Bilder herausfinden können. Kleiner „Geheimtip“: Jene, die (noch) von Goldrahmen eingefaßt sind, gehören zur „Sammlung Berg“.

Bilder fügen sich bestens zum bisherigen Eigenbesitz

Die Hagener Erbschaft stammt von Fritz Berg (1901-1979), einem mittelständischen Industriellen (Drahtverarbeitung) aus Altena. Berg war von 1946 bis 1971 Präsident der IHK Südwestfalen und langjähriger Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Seine im Dezember 1988 verstorbene Witwe Hildegard Berg vermachte die Kunstsammlung, zu der auch Ostasiatika wie chinesiches Porzellan und historische Möbel gehören, völlig überraschend dem Osthaus-Museum. Ursprünglich hatte sich ein anderes Kunstinstitut Chancen ausgerechnet. Bedingung: Hagen muß 21 Gemälde in der ständigen Ausstellung präsentieren und darf sie nicht weiterverkaufen. Da sich die „Sammlung Berg“ so glückhaft in den angestammten Osthaus-Besitz einfügt, fällt beides leicht.

Mit der Übergabe des Nachlasses verheilt zum Teil eine alte Hagener „Wunde“. 1922, nach dem Tod von Karl Ernst Osthaus, wanderte dessen Kunstsammlung nach Essen, wo sie das Folkwang-Museum bis heute zur „feinen Adresse“ macht. Beispiel Lyond Feininger: Bisher besaß das Osthaus-Museum zwei seiner Arbeiten, ein Aquarell und das Ölbild „Gaberndorf I“ (1921), eine für diesen Künstler typische Überlagerung prismatischer Architektur-Formen.

Sinnvolle Ergänzungen bei Feininger und Heckel

Jetzt kann man mit „Am Quai“ (1908) auch die frühe Phase dokumentieren, in der sich Feininger gerade erst als freischaffender Künstler zu etablieren begann. Bis dahin hatte er vor allem als humoristischer Zeichner und Karikaturist gearbeitet. Das Hafengemälde zeigt nun den Übergang zum Tafelbild: Die Figuren sind karikaturhaft überzeichnet, und gleichzeitig deutet die Ausführung auf Feiningers späteren Stil voraus – besonders der Umstand, daß praktisch jedes Ding und jede Figur unter einer eigenen Perspektive dargestellt wird. Bei genauerem Hinsehen merkt man sogar, daß auf verschiedenen Bildteilen der Wind aus verschiedenen Richtungen weht. Der Hafen als Ort einer verwirrenden Gleichzeitigkeit, von vielerlei Abschied, Ankunft, Sehnsucht und Einsamkeit. Auch für eine spätere Feininger-Phase gibt es jetzt einen Beleg in Osthaus-Besitz: „Frau mit rotem Haar“ (1927) markiert den Übergang zu einer neuen Beschäftigung mit dem menschlichen Bildnis.

Genau so sinnvoll ist die Ergänzung bei Erich Heckel. Vom Maler der expressionistisehen Künstlergruppe „Brücke“ konnte man bisher „Frühling in Flandern“ (1915/16) zeigen – verzweifelter Seelenzustand in Form einer Landschaft, Bild der „verbrannten Erde“. Nun ist, als Kontrast, „Gehölz am Meer“ hinzugekommen, ein Vorkriegsidyll von 1913. Dieses Bild hat einen gar nicht idyllischen Irrweg hinter sich. Anfangs hing es in der Kunsthalle Bremen. Dann, von den Nazis als „entartet“ gebrandmarkt und vermutlich 1937 in Zürich für Devisen versteigert, befand es sich in den USA, bevor es in den 50er Jahren in einer Münchner Galerie auftauchte und von Fritz Berg erworben wurde.

Ein besonderes Stück ist auch Auguste Renoirs „Blick von Haute-Cagnes aufs Meer“ (nach 1903); es gibt nur ganz wenige „Renoirs“ in unserer Region, bislang mußte man mindestens nach Essen fahren, um einen zu sehen. Den materiellen Wert kann man nur schätzen, vergleichbare Bilder dieses Malers haben jedenfalls auf Versteigerungen – vorsichtig formuliert – höchst namhafte Preise erzielt.

Dies und die anderen Bilder der „Sammlung Berg“ bedeuten auch ein gehöriges „Pfund“, mit dem das Osthaus-Museum künftig bei seinen Wechselausstellungen „wuchern“ kann. Denn die Ausleihpraxis zwischen Museen funktioniert nun einmal nach dem Motto: Nur wer attraktive Leihstücke anbieten kann, bekommt auch welche.

Die „Sammlung Berg“ ist ab Sonntag im Zusammenhang mit bisherigen Beständen als Dauerausstellung zu sehen (Katalog 12 DM). Öffnungszeiten des Osthaus-Museums, Hagen, Hochstraße 73 (Tel.: 02331/207 576): So 11-16 Uhr, Di/Mi/Fr/Sa 11-18 Uhr. Do 11-22 Uhr, montags geschlossen.

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(erschienen in der Wochenend-Beilage der Westfälischen Rundschau)

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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