Wanderer zwischen den Malstilen – Bilder von Hans Platschek in Essen

Von Bernd Berke

Essen. Vom vielbeschworenen „Zeitgeist“ hat sich der Maler Hans Platschek zwar anregen, nie aber vereinnahmen lassen. In Kunsttheorie (und funkelnder Kunstpolemik) viel zu beschlagen, um neuesten Stimmungen leichtfertig nachzugeben, hat er seit Beginn der 50er Jahre eine vordergründig schlüssige Werk-Entwicklung gleichsam „verweigert“ und sich in vielerlei Stilen umgetan.

Wie jetzt eine Ausstellung des Essener Folkwang-Museums belegt, gab es immer einen „roten Faden“ in Platscheks Werk: Stets spielte Figürlichkeit eine Rolle, sogar in der produktivsten Phase ab der Mitte der 50er Jahre, in der Platschek (damals documenta- und Biennale-Teilnehmer) mit dem – bei anderen Kütistlern völlig gegenstandsabstinenten – Informel experimentierte. Selbst diese scheinbar „wilden“ und spontanen Bilder sind bei Platschek keine chaotischen Mal-Orgien; der Anfangs-Impuls wird eingefaßt in strengere Formen, er sprengt nie den Bildrahmen und bleibt auch bei den traditionellen Materialien: Öl auf Leinwand.

Erste Anregungen empfing Platschek, dessen Familie vor den Nazis nach Südamerika flüchtete, aus der dortigen, in ganz anderen Farben blühenden (Kunst)-Landschaft. Auch sind Einflüsse von Klee und Miró erkennbar.

Interessantester Teil der Folkwang-Ausstellung sind die Beispiele für den Übergang vom Informel zur „Neuen Figuration“ gegen Ende der 50er Jahre. Schlüsselbilder: ein Porträt des Künstlers Emilio Vedova (1959), auf dem schemenhaft, aber doch untergründig-kraftvoll, ein Gesicht aus dem Farbgewoge auftaucht. Der entscheidende Schritt zur Figürlichkeit wird dann mit dem Porträt „Franz Roh“ (1960) vollzogen. Hier drängt die Gestalt mit aller Macht hervor.

In der Folgezeit entwickelt sich Platschek zum kritischen Realisten. Wichtiges Bild in dieser Phase: „Die Sprache der Kategorien“ (1967/68) mit drastischer Kombinatorik. Im Hintergrund eine Kopie des Mittelstücks von Grünewalds Isenheimer Altar, vorn, auf den Betrachter zukriechend, eine nackte Frau, die Platschek aus einem Pornoheft abmalte und der er noch einen Greisinnenkopf aufsetzte.

Vergreisung und Verfall auch auf anderen Bildern dieser Zeit. Ein Baby blickt wie ein Achtzigjähriger aus dem Kinderwagen; ein totes Pferd liegt – beinahe grinsend – in seiner Blutlache, bürgerliche Festivitäten erscheinen allemal als tödlich trostlos.

Neuerdings entfernt sich Hans Platschek wieder von solch sarkastischen Realismen. Jüngste Arbeiten lassen wieder stärker die flächig-malerischen Formqualitäten der Gegenstände hervortreten, so etwa das fast wie ein surrealistisches Zufallsbild aufgebaute „Stilleben mit Hummer und Ibis“ (1988).

(Bis 26. 2.; di-so 10-18, do 10-21 Uhr; Katalog 29 DM)

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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