Kölns gewaltiger Museums-Zwilling: „Innenleben“ versöhnt auch die Kritiker – Johannes Rau eröffnet am Samstag den „Wallraf-Richartz/Ludwig“-Neubau

Von Bernd Berke

Köln. Der Rhein, der Dom, der neue Böll-Platz, das Römisch-Germanische Museum – und nun der gigantische, 278 Millionen DM teure Museumszwilling „Wallraf-Richartz/Ludwig“, der am kommenden Samstag von NRW-Ministerpräsident Rau eröffnet wird. Welche andere Stadt kann auf so engem Raum ein so markantes Ensemble vorweisen?

Der Neubau gilt Fürsprechern als „Kunst-Kathedrale“, Kritikern als „Kunst-Container“. Kölns Museumsleute sind jedenfalls stolz, und ein Aachener ist womöglich noch stolzer: Westdeutschlands Kunstammler Nummer 1, der Schokoladenfabrikant Peter Ludwig, dessen Stiftungen das neue Museum zum Großteil füllen, strahlte gestern Genugtuung aus: „Ich bin mehr als zufrieden“.

In der Tat: Während bei einem eher kantigen Charakter wie dem Sammler Lothar-Günther Buchheim eine Schenkung nach der anderen in Katzenjammer endet, läuft es beim jovialen Ludwig wie am Schnürchen. Bereits viermal ist der Mann nun auf Museen namentlich verewigt. Am Rande der Veranstaltung dementierte Ludwig übrigens ein Gerücht der letzten Wochen, daß nämlich der (seinerzeit bei NS-Größen wohlgelittene) Bildhauer Arno Breker dem neuen Museum eine Ludwig-Porträtbüste andienen sollte. Ludwig sprach sich gleichwohl dafür aus, daß die Museen der Bundesrepublik endlich ihre Berührungsangst vor NS-Kunst aufgeben sollten.

Ansonsten hielt sich Ludwig beidergestrigen Pressevorstellung des Baues vornehm zurück und ließ andere die Leistung der Kölner Architekten Peter Busmann und Godfrid Haberer preisen. Prof. Hugo Borger, Generaldirektor der Kölner Museen, betonte, die durch Bürgerstiftungen entstandenen Sammlungen des neuen Doppelmuseums (das auch die neue Philharmonie beherbergt) seien in Fülle und Qualität „nur noch mit staatlichen Sammlungen vergleichbar“.

Vom Mittelalter bis zur Pop Art

Kölns OB Norbert Bürger räumte zwar ein, der mit silbrigem Titanzink (mit der Zeit wird’s mausgrau) verkleidete Bau verstelle aus einigen Blickwinkeln den Dom. Dessen Pracht komme aber nun insgesamt stärker zur Geltung. Was immer man von der architektonischen Lösung halten mag – die „Inhalte“ des „Wallraf-Richartz/Ludwig“-Museums versöhnen. Beide Museen können nun bis zu 50 Prozent mehr Exponate als zuvor zeigen, nämlich jeweils rund ein Drittel der Bestände.

Der Rundgang mutet denn auch fast an, als blättere man in einer Kunstgeschichte. Von berühmten Altarmalereien des Mittelalters über Weltkunstwerke wie Rembrandts Selbstporträt von 1665 und markante Beispiele für sämtliche „Ismen“ des 20. Jahrhunderts bis zu Schlüsselwerken der Pop Art reicht das wahrhaft überwältigende Spektrum.

Beinahe wie in einem Warenhaus, das durch Raumstrategie in alle Abteilungen lockt, sind die Geschosse des „Wallraf“-Bereichs (Kunst von 1300 bis 1900) und der „Ludwig“-Teil (ab 1900) so verschachtelt, daß etwa der Pop-Art-Fan zwangsläufig auch an Flügelaltären aus dem Mittelalter vorbeikommt, die hier – eine Besonderheit – zum Teil frei im Raum stehen und von beiden Seiten zu bewundern sind.

Eröffnung am 6. September (Einlaß fürs Publikum um 13 Uhr, mit großem Ansturm ist zu rechnen). Bis 14.9. freier Eintritt, danach 3 DM. Öffnungszeiten: Di-Do 10-20, Fr-So 10-18 Uhr, mittw. geschlossen.

 

Ausstellungs-Start mit Paukenschlägen

(bke) Der Betrieb in den 1000 qm großen Wechselausstellungs-Räumen des neuen Kölner Museumszwillings beginnt gleich mit mehreren „Paukenschlägen“. Der US-betonten Sammlungsstruktur des Ludwig-Museums entsprechend, zeigt dieses die Schau „Amerika-Europa (Geschichte einer Faszination)“ (7. September bis 30. Novemver, Katalog 35 DM). Anhand erlesener Arbeiten von rund 100 Künstlern aus den letzten vierzig Jahren werden die wechselseitigen Anziehungs-, aber auch Abstoßungskräfte zwischen Kunstauffassungen diesseits und jenseits des Atlantik deutlich. Siegfried Gohr, Chef des „Ludwig-Museums“, verglich den Prozeß mit der Verästelung eines Baumes, in dem aber immer wieder einige Zweige in die gleiche Richtung streben.

Die Amerika-Ausstellung wird übrigens von einem US-Kreditkartenunternehmen gesponsert, das bei der gestrigen Vorbesichtigung denn auch häufig und heftig genug genannt wurde. Eins ist klar: Ohne Sponsoren geht so gut wie nicht mehr in Sachen Sonderausstellungen, stehen doch allen acht (!) städtischen Museen Kölns derzeit insgesamt nur 600 000 DM pro Jahr für Ankaufe zur Verfügung. Wahrlich ein Mißverhältnis zu den Neubaukosten!

Mit „Meisterzeichnungen von Leonardo (da Vinci) bis zu Rodin“ (7. September bis 16. November) steigt das Wallraf-Richartz-Museum in den Ausstellungsalltag ein. Die Absicht: generelle und historische Aspekte der Zeichnung als eines außerordentlich lebendigen Mediums vorzuführen. Dabei gerät die aus Wissenschaftsehrgeiz geborene Akribie der Ranaissance ebenso ins Blickfeld wie Faustskizzen moderner Künstler.

Für die kommenden Jahre (die Vorplanungen reichen bereits bis 1991) sind im Kölner Neubau teilweise sensationelIe Kunstschauen zu erwarten. So soll es unter anderem große Überblicke zum Werk von Rubens, von Miró und von Max Ernst geben. Die Miró-Ausstellung wird schon für 1987 angekündigt. Weitere Präsentationen im nächsten Jahr werden Per Kirkeby und Cy Twombly gewidmet sein.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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