Von Bernd Berke
Wie New York auf Vincent van Gogh gewirkt hätte, ist schwerlich zu ermitteln. Wie aber Rainer Fetting, der sich seit Beginn seiner steilen Karriere (bis in maltechnische Details hinein) mit van Gogh identifiziert, die Weltmetropole wahrnimmt, läßt sich jetzt im Essener Folkwang-Museum nachvollziehen (bis 2. März, Katalog 25 DM).
Fetting (Jahrgang 1949) zog 1981 von Berlin nach New York und begab sich – auch darin seinem großen Vorbild ähnelnd – an die Stätten der Außenseiter, begab sich somit selbst in eine Außenseiterposition. New York mit den Augen des ewig (und niemals richtig) Ankommenden, New York von „ganz außen“, von der Peripherie her gesehen – das ist denn auch die Hauptlinie seiner Bilder seit 1983, die nun erstmals in Europa gezeigt werden.
Die früheste Arbeit, „New York Painter“, zeigt einen mit heftigster Gebärde gemalten, flammend roten Mann, der mit seiner Palette in Eroberer-Haltung antritt. Solch draufgängerische Aggression verflüchtigtsich in der folgenden Zeit. Nicht mitten ins tosende Stadtleben hinein führen die weiteren Bilder, sondern – wie von einer starken Abstoßungskraft dorthin gedrängt – an die äußersten Ränder.
Der „Manhattan Acrobat“ vollführt einen grotesk einsamen Tanz weit vor der Silhouette des Empire State Building. Noch viel weiter hinaus führt der Rückzugsweg, hin zu gottverlassenen Schiffsanlegestellen, wo einst die Einwanderer ins Land kamen. Immer wieder schieben sich die Piers gewaltig in den Vordergrand, als suche der Fremde nach einem Anhaltspunkt und traue sich doch nicht heran. Die Stadt liegt in verschleierter Ferne. Sie gibt nur noch die Kulisse ab für starkfarbige Gefühlsaufwallungen, ist nur noch vager Anlaß für den verselbständigten Malprozeß.
Immer wieder vereinsamte, meist schutzlos nackte Mensehen, dann rätselhaft-düstere Geschehnisse. In einem Farbengewitter aus Rot und Gelb liegt eine entblößte schwarze Figur mit verzerrten GIiedmaßen vor einem Hydranten. Opfer eines Verbrechens? Im finsteren U-Bahn-Schacht steht ein Stuhl, darauf – es ist „Halloween“, also Zeit für Mummenschanz – liegt eine aufgedunsene Maske, eine Art Schweinsgesicht. Eine ähnliche Mischung aus Geheimnis, Bedrohlichkeit und Lächerlichkeit auch auf dem U-Bahn-Bild „Monster in Subway“: Eine Frankenstein-Gestalt, vielleicht aber auch nur ein verirrter Szene-Freak. eilt aus dem Dunkel auf den Betrachter zu.
Fetting, der sich seit seinen Berliner „Mauerbildern“, die die Bewegung der „Neuen Wilden“ mitbegründeten, im Sog New Yorks enorm weiterentwickelt hat, findet eine kraftvoll-expressive Bildsprache für das Gefühlschaos des von der Millionenstadt ausgespieenen Einzelnen.
Sanftere Gegenbilder entstanden auf Jamaika. Freilich, das Stadtthema beflügelt Fetting wohl doch zu reiferer Gestaltung. Die „Jamaican Cow“ (Kuh auf Jamaika) wirkt nämlich wie aus dem Reiseprospekt abgemalt.