Schlagwort-Archive: Gesellschaft

Abstand von der Gesellschaft gewinnen – Rüdiger Safranskis philosophisches Buch „Einzeln sein“

Der vielfach bewanderte Gelehrte Rüdiger Safranski hat sich ein Thema von geradezu universellem Gewicht vorgenommen: Wie verhalten sich Individuen und Gesellschaft zueinander, wie steht überhaupt das Einzelne zum großen Ganzen? Hierzu unternimmt Safranski einen Streifzug, der vornehmlich durch die abendländische Philosophie-Geschichte führt.

Die Geistes- und Gedankenreise geleitet uns zunächst in die Renaissance mit ihrer nicht zuletzt geldwirtschaftlich bedingten Freisetzung des Individuums, und zu Martin Luther, der den Gottesglauben als Sache des Einzelmenschen betrachtete, unabhängig von (kirchlichen) Institutionen. Sodann gelangt Safranski zu Michel de Montaigne, der im höchst persönlichen Denken eine Zuflucht vor gesellschaftlichen Zumutungen suchte. Er wollte im Denken schlichtweg seine Ruhe finden und Abstand gewinnen. Jean-Jacques Rousseau schwankte später zwischen den Extrempolen einer völligen Preisgabe an den Staat („Du … Weiterlesen

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Was Passanten zu hören bekommen – und was die Wissenschaft daraus machen könnte

Alltäglicher kann Alltag nicht sein: Als ich dieser Tage zu Fuß unterwegs war, ist es mir mal wieder aufgefallen: Da kamen mir u. a. zwei Leute entgegen und ich schnappte en passant einen winzigen Gesprächsfetzen auf: „…das, was er zum Leben hat…“ Da ging es also, um es ganz trocken zu sagen, offenbar um den eher dürftigen Sozialstatus eines Freundes oder Bekannten.

Wir könnte ja auch versuchen, die Wolken zu kämmen... (Foto: Bernd Berke)

Ebenso gut könnten wir auch versuchen, die Wolken zu kämmen… (Foto: Bernd Berke)

Die nächsten Leute unterhielten sich anscheinend über Städte, denn es hieß: „Wuppertal liegt ja auch nicht höher.“ Gleich darauf kam ich an zwei älteren Damen vorbei, die plaudernd bzw. tratschend an der Straßenecke standen. Und wieder war im Vorübergehen eine sekundenkurze Äußerung zu verstehen. Die … Weiterlesen

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Menschen kreisen nur um sich: Edith Wharton beschreibt den „Dämmerschlaf“ der 20er Jahre

Was ist das für ein Leben in der Upperclass der Vereinigten Staaten in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, auch Roaring Twenties genannt? Der Oberschicht fehlte es an nichts, materiell gesehen. Gute Jobs, gutes Geld, bester Lebensstandard. Je mehr man aber als Leser von Pauline Manford erfährt, die in Edith Whartons Roman „Dämmerschlaf“ die Schlüsselrolle einnimmt, desto klarer wird der Blick auf die gesellschaftlichen Verhältnisse. Der Alltag ist im Aktionismus erstarrt, ein Termin jagt den nächsten. Ob das Engagement hier und Einsatz dort überhaupt zueinander passen: Wer will das schon wissen?

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Da fällt es dann auch nicht ins Gewicht, wenn Pauline ihre Rede verwechselt. Was eigentlich diejenigen vernehmen sollten, die für Geburtenkontrolle ins Feld ziehen, hörten die Befürworterinnen der uneingeschränkten … Weiterlesen

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Und ewig grüßt das Facebook-Tier

Es ist Morgen.

Computerlogdaten: Web 0, 17690

Langgezogene Breitengrade. Rotweinreste im System.

Schwerkraft beträchtlich.

Die Vögel pfeifen trotzdem.

Zur Untermalung, prasselnder Regen.

Auf Facebook gibts  quasselnden Regen.

Da trommelts auf die Festplatte.

Manchmal fühlt man sich wie Spock.

Vulkanisiert.

Da geht nichts mehr durch.

Man ist dicht.

Eine gummierte Haut schottet einen ab.

Was hat man mit der Welt zu tun?

Welche Welt überhaupt?

Man spricht so leicht von Welt.

Als ob man wüsste, was das sei.

Man gibt sogar vor zu wissen,

was das ist.

„Die Welt zu Gast bei Freunden“ – hieß das nicht so?

Das wäre eng geworden.

Weltfußballer. Weltmeister. Weltbaumeister. Weltschriftsteller.

Welthausfrau. Weltpolitiker. Weltbademeister…

Wir sind getitelt.

Wir sind sowas von getitelt, dass uns manchmal etwas … Weiterlesen

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FAZ: Kopf-Gevögel?

FAZ-Sonntagszeitung: Sexueller MissbrauchDas gewichtige Blatt liegt vor einem, ein paar Seiten umdrehen, anhalten, schauen.

„Von Tätern und Opfern“…29. Mai 2011 – FAZ – Sonntagszeitung

Die Protagonisten: Christoph Röhl & Tilman Jens.

Der Röhl hat einen Film gemacht & der Jens ein Buch geschrieben. Das klingt dann zunächst mal alltäglich, ja wäre da nicht die Odenwaldschule. Wer sich etwas mit der Gesellschaft befasst, bei dem klingelt es sofort. Aber warum ist dieser Artikel in der Rubrik – Politik – gelandet?

Eine Debatte, na ja, eher ein Streit zweier Kulturschaffender.

Man hat sich in den Haaren, zieht und zerrt.

Wer hat denn nun geschlampt? – der Röhl oder der Jens – oder beide? Auf jeden Fall haben sich beide Protagonisten an das Thema – … Weiterlesen

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Westfalens Gesellschaft zur Goethezeit – auf Bildern von Johann Christoph Rincklake

Von Bernd Berke

Münster. Westfalens Adel ging um das Jahr 1800 mit der Zeit. Man hatte schließlich „seinen“ Rousseau gelesen und kehrte auch dann „zurück zur Natur“, wenn man sich porträtieren ließ: Nun getrauten sich auch Damen von Stand, inmitten ihrer Kinderschar oder gar im „Zustand der Hoffnung“ vor den Maler zu treten.

Es war aber zugleich die Ära, in der das Selbstbewußtsein des westfälischen Bürgertums wuchs. Nur: Statt der Wappen, die die adeligen Herrschaften vorweisen konnten, staffierten sich Bürgersleute fürs Konterfei mit Signalen für erbrachte „Leistung“ aus. Ein wissenschaftliches Buch für den Herrn, ein Strickstrumpf für die Dame – und schon war die Heraldik wirksam ersetzt.

Westfalens wohl bester Porträtmaler zur „Goethezeit“ hieß Johann Christoph Rincklake (1764-1813). Sein Werk … Weiterlesen

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