Schlagwort-Archive: Roberto Ciulli

Eisiges Kammerspiel mit einem Hauch Poesie – Roberto Ciullis „Othello“ bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen

Desdemona (Dagmar Geppert) liebt Othello (Jubril Sulaimon). Der jedoch hegt Zweifel ob ihrer Treue. Foto: Franziska Götzen

Nein, ganz ohne Verdi geht es dann doch nicht. In Roberto Ciullis „Othello“-Inszenierung, die das Shakespeare-Drama zu einem hoch verdichteten, eisigen Kammerspiel einer besseren Gesellschaft stilisiert, sorgt wenigstens Desdemonas „Ave Maria“ aus Verdis gleichnamiger Oper für Wärme und Trost, für bebendes Leidenskolorit und innigen Erlösungston.

Zu sehen war die Produktion jetzt noch einmal, nach ihrer Premiere am Mülheimer Theater an der Ruhr (September 2018), bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen. Zu Ehren eines großen Bühnenmagiers, dessen Deutungen oft voller Poesie sind, sich aber mit Gesellschaftskritik nicht zurückhalten.

Ciulli lässt am Beginn des Dramas Desdemonas Vater auftreten. Ein feiner älterer Herr mit Fliege, der polternd … Weiterlesen

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Ruhrfestspiele: „Tod“, „Rausch“ und Angst – Extremzustände von unterschiedlicher Qualität

„Tod“: Kleinmann (Albert Bork) würde lieber im Bett bleiben. (Foto: Joachim Schmitz/Ruhrfestspiele)

Kleinmann ist wie er heißt, ein kleiner Mann, der seinen Nachtschlaf braucht, weil die Arbeitstage anstrengend sind. Es ist nämlich Saison, wie beiläufig zu erfahren ist, und Kleinmann ist Verkäufer von irgend etwas. Schlaf aber ist ihm nicht vergönnt.

Nachts um halb drei klopft die Bürgerwehr bei ihm an. Er soll helfen, den Mörder zu fangen, der sich in der Gegend herumtreibt. Kleinmann würde viel lieber schlafen, aber was soll man machen? Die Geschehnisse nehmen ihren Lauf.

Roberto Ciulli inszeniert Woody Allen

Kleinmanns gestörte Nachtruhe steht am Anfang des Theaterstücks „Tod“ von Woody Allen, 1978 uraufgeführt, das das Mülheimer Theater an der Ruhr unter Leitung seines charismatischen Intendanten … Weiterlesen

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„Die Wupper“: Roberto Ciulli inszeniert und spielt Else Lasker-Schüler in Düsseldorf

v.l.n.r. Luce Hoeltzener, Roberto Ciulli, Manon Charrier. Foto: Sebastian Hpppe/Düsseldorfer Schauspielhaus/Theater an der Ruhr

Luce Hoeltzener (li.), Roberto Ciulli, Manon Charrier.Foto: Sebastian Hoppe/Düsseldorfer Schauspielhaus/Theater an der Ruhr

Roberto Ciulli wohnt auf der Bühne. Wenn das Licht ausgeht, wird er sich irgendwo dort schlafen legen, stelle ich mir vor. Bestimmt trinkt er auch morgens hier seinen Espresso. Auf jeden Fall sitzt er schon da, wenn die Zuschauer bei der Premiere „Die Wupper“ den Zuschauerraum des Düsseldorfer Central betreten, der Ausweichspielstätte des renovierungsbedürftigen Schauspielhauses.

Zwei junge Mädchen sitzen zu seinen Füßen. Ciulli erzählt wie ein Märchenonkel aus dem Leben von Else Lasker-Schüler. Aus ihrem Schauspiel von 1909 haben Ciulli und sein Dramaturg Helmut Schäfer vom Theater an der Ruhr in Mülheim eine biographische Collage entwickelt, die jetzt in Koproduktion mit dem Düsseldorfer Schauspielhaus herauskam.

„Eine Performance“ … Weiterlesen

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Spuk zwischen den Fischkonserven – Roberto Ciulli inszeniert die Uraufführung von Wilhelm Genazinos „Der Hausschrat“

Von Bernd Berke

Mülheim. Wenn ein Stück „Der Hausschrat“ heißt, so stellt man sich seelisch auf Verschrobenes ein – etwa auf ein Zottelwesen, das aus den Wäldern in die Wohnküche verschlagen wird. So konkret kommt’s dann zwar nicht. Aber Wilhelm Genazinos Theatertext, der jetzt in Mülheim uraufgeführt wurde, ruft tatsächlich merkwürdige Gespenster wach.

Überdruss zu zweit, trostloses Altern: „Schrat“ Karl und Sophie, seit 22 Jahren verheiratet, gründeln in ihrem erstarrten Alltag. Sie strickt, er guckt einen Boxkampf im Fernsehen. Banale Verfehlungen rund um Käsebrote, Hosen, männliche Pinkel-Gepflogenheiten (im Stehen!) und Zahnbürsten kommen zur Sprache. Eine Ehekomödie der kleinen, gemeinen Vorwürfe – wie von Loriot ersonnen. Das Publikum gluckst.

Doch mehr und mehr ahnt man, wie grundsätzlich verlassen die beiden sind. … Weiterlesen

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In der Bundesliga des Theaters spielt das Ruhrgebiet nicht mit

Von Bernd Berke

Allherbstlich wird sie mit Spannung erwartet: die Jahresumfrage des Magazins „Theater heute“. Welche Sprechbühnen gehören in die „Bundesliga“, wer steigt ab, wer steigt auf? Geht es nach dem Urteil der befragten 40 Kritiker, so war es in der letzten Saison um die Theater des Ruhrgebiets so schlecht bestellt wie lange nicht mehr.

Zwar verteilt man bei „Theater heute“ noch keine symbolischen Masken wie Kochlöffel, doch man ist der Hitlisten-Manie immerhin so weit verfallen, daß man arglos „Die Sieger“ ausruft. Bester Schauspieler: Jürgen Holtz (keineswegs nur als „Motzki“); beste Schauspielerin: Kirsten Dene (an Peymanns Burgtheater); bester Regisseur: Luc Bondy. Frank Castorfs Berliner Volksbühne steht als „Theater des Jahres“ auf Platz eins. In dieser Rubrik (Gesamtleitung einer Bühne) mochte … Weiterlesen

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Johannes Rau beim SPD-Kulturkongreß: „Theatersterben findet in NRW nicht statt“

Von Bernd Berke

Castrop-Rauxel. „Ein Theatersterben findet nicht statt“, dieses Trauerspiel sei endgültig „vom Spielplan abgesetzt“; die Landesregierung werde die kulturelle Vielfalt in NRW sichern und ausbauen. Das betonte Ministerpräsident Johannes Rau am Samstag in seiner Eröffnungsrede zum SPD-Kulturkongreß in der Europahalle zu Castrop-Rauxel. Kultur sei auch bei knappen Kassen nicht überflüssig, sondern notwendig, ja sogar „not-wendend“ (Rau), indem sie – als „humaner Stachel gegen Sachzwänge“ – Gegenwelten entwerfe.

Ein „Zukunftsgespräch“ über NRW-Kultur führten vor schätzungsweise 500 Zuhörern dann Experten und Macher am runden Tisch. Erst vor Wochenfrist hatte die CDU in Mülheim eine Debatte zur Revierkultur veranstaltet (WR berichtete). Die Teilnehmerzahl beim SPD-Zukunftsgespräch war rund zehnmal größer. Deutlich wurde – im Unterschied zur CDU – eine entschiedene Skepsis gegenüber … Weiterlesen

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Am Ende aller Mythen – Roberto Ciulli inszeniert „Die Bakchen“ des Euripides in Mülheim

Von Bernd Berke

Jesus stirbt am Kreuz und preßt seine letzten Worte hervor: Unser ailer Seelen seien verhärtet. Wir verschlössen Augen und Ohren vor dem Leid.

Der Messias ist nicht allein. Ton ab, Kamera läuft; wie beim Gladbecker Geiseldrama? Doch dann zeigt sich, daß hier das Leben Jesu verfilmt wird. Die Kameras werden schließlich abgebaut, der Gottessohn steigt über eine Leiter vom Kreuz. Auch er ist nur ein Schauspieler. Kult und Mythen sind vergangen, sie existieren allenfalls noch auf Zelluloid.

So beginnt in der Mülheimer Stadthalle Roberto Ciullis Inszenierung des Euripides-Dramas „Die Bakchen“. Das Stück entstand etwa 406 v. Chr. Der Jesus-Auftritt zeigt mithin, wie überaus frei Ciulli abermals mit seiner Vorlage umgegangen ist. „Nach Euripides“ heißt es im Programmheft. … Weiterlesen

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In der Höhle der Theater-Löwen – Diskussion über Kulturfinanzen im dritten Programm

TV-Kritik: „Mittwochs um acht“ (West 3; 20.00 Uhr)

In die „Höhle des Löwen“ wagte sich gestern abend NRW-Kultusminister Hans Schwier. Die Live-Diskussion aus dem Essener Grillo-Bau (Thema: Theaterkrise in NRW) führte ihn mit finanziell gebeutelten Theatermachern, darunter Essens Schauspielchef Hansgünther Heyme, zusammen.

Schwier hatte unlängst den Theatern „Versorgungsempfänger-Mentalität“ vorgeworfen, Heyme war am entschiedensten gegen Etateinschnitte aufgetreten. Als lautester „Löwe“ erwies sich jedoch Bochums Schauspielleiter Frank-Patrick Steckel, der zunächst – was man vielleicht noch ganz gut nachvollziehen kann – gegen Glitzer-Kultur à la „Starlight Express“ wetterte („Schrott“, „schäbiges Profitinteresse“), sich dann aber vollends in Unsachlichkeit hineinsteigerte: „Ich hab‘ Ihnen doch schon mal gesagt, Herr Schwier: Treten Sie zurück!“ Weitere Rundumschläge folgten.

Die anderen Theaterleute (Heyme aus Essen; Roberto Ciulli vom Mülheimer … Weiterlesen

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Handkes „Kaspar“ ertrinkt in einer Flut von Bildern – Roberto Ciullis Inszenierung in Mülheim

Von Bernd Berke

Mülheim. Peter Handkes „Kaspar“ auf die Bühne zu bringen, zeugt heute von erlesener Kühnheit. Sehr zeitgebunden erscheinen Bau und Rhythmen des 1967 geschriebenen Textes. Längst zum Klischee verfestigt hat sich die Einschätzung, die Maschinerie dieses Sprechstücks werde von skandierten Demo-Sprüchen und dem „Beat“ jener Jahre mit angetrieben.

Umso spannender die Frage: Wie geht das Theater heute mit dieser – eigentlich untheatralischen – Vorlage um? Roberto Ciullis Inszenierung, die jetzt in der Mülheimer Stadthalle Premiere hatte, gibt, wie kaum anders zu erwarten, eine höchst eigenwillige Antwort. Handke ging es noch um die pure Materialität der Sprache und darum, wie mit Wort- und Satzmaterial Kaspars Identität erschaffen und sodann stromlinienförmig normiert, also zerstört, wird.

Die „Einsager“, die „Kaspar“ durch … Weiterlesen

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Banalität und Alptraum der Folter – Roberto Ciulli inszeniert Sartres „Tote ohne Begräbnis“

Von Bernd Berke

Mülheim. Es ist eine Zumutung und zum Davonlaufen, was uns Roberto Ciulli in Mülheim als Sartres „Tote ohne Begräbnis“ vorsetzen läßt. Doch können nicht Zumutungen auf dem Theater eine andere Qualität bekommen? Können sie nicht dazu zwingen, sich mit Dingen auseinanderzusetzen, an die man andernfalls nicht im Traum geriete?

Ciulli läßt Sartres (kaum noch gespieltes) Stück über eine Gruppe von Résistance- Kämpfern, die sich in der blutrünstigen Gewalt französischer Nazi-Kollaborateure befinden, als schrecklichen „Folterabend“ vorführen. Der ohne Pause und also ohne Fluchtmöglichkeit gespielte Text ist rigoros gekürzt. Ciullis Fassung läßt wenig ahnen von Sartres Ansinnen, die existentielIe Entscheidungsfreiheit in einer Extremsituation zu zeigen – die Entscheidung zwischen Verlust der Würde durch Verrat und Verlust des Lebens durch … Weiterlesen

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Hang zur Hysterie: Roberto Ciulli inszeniert Tschechows „Möwe“ in Mülheim

Von Bernd Berke

Mülheim. Saison für „Die Möwe“. Am nächsten Wochenende kommt eine Inszenierung von Anton Tschechows Künstlerdrama in München heraus, an diesem Wochenende hatte es Premieren in Augsburg und in Mülheim (Regie: Roberto Ciulli). Das Theater an der Ruhr liegt mit der Wahl des Stücks offenbar im Trend.

Zu Beginn völlige Dunkelheit. dann Scheinwerfer auf einen schweren roten Vorhang, der zwischen Metallgerüsten hängt. Davor, dem Zuschauerrum abgewandt, sieben Stühle. Nach und nach lassen sich die Protagonisten, zugleich Zuschauer eines „Stücks im Stück“, darauf nieder: Die aufgedrehte, sich gegen das Altem sträubende Bühnendiva Irina, die wie ein Kind (oder: ein Besitz, ein Ding) hereingetragen wird von ihrem Liebhaber, dem vielgelesenen Schriftsteller Trigorin; dann Irinas Sohn Konstantin Treplev, Trigorins Kunst verwerfend, … Weiterlesen

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