Kühle Noblesse, inneres Glühen: Julia Fischer spielt Dvořák im Konzerthaus Dortmund

Julia Fischers neue CD mit Violinkonzerten von Antonín Dvořák und Max Bruch erscheint am 15. März (Copyright: DECCA/Uwe Arens)

Julia Fischers neue CD mit Violinkonzerten von Antonín Dvořák und Max Bruch erscheint am 15. März 2013 (Copyright: DECCA/Uwe Arens)

„Wollen Sie mir ein Violinkonzert schreiben? Recht originell, kantilenenreich und für gute Geiger? Bitte ein Wort!“, schrieb der deutsche Musikverleger Fritz Simrock 1879 an den tschechischen Komponisten Antonín Dvořák. Dieser Auftrag wurde prompt übererfüllt. Dvořák schuf ein weithin leuchtendes Meisterwerk der Gattung: kraftvoll symphonisch, sehnsuchtsvoll lyrisch, spieltechnisch brillant und überströmend reich an Melodien.

Verzichtet hat der Komponist auf eine Solo-Kadenz und die damit verbundene Zurschaustellung von Virtuosität. Vielleicht ist dies einer der Gründe, warum sein Werk im Konzertsaal ungleich seltener zu erleben ist als die Violinkonzerte von Beethoven, Brahms, Mendelssohn, Sibelius und Tschaikowsky.

Eine Geigerin wie Julia Fischer kann ihre Brillanz freilich auch ohne solistische Ehrenrunde ausspielen. Im Konzerthaus Dortmund erfüllt sie Dvořáks Romantik mit einer zurückhaltenden Noblesse, aus der es gleichwohl glühend leuchtet. Begleitet vom Tonhalle-Orchester Zürich, mit dem sie das Werk auch auf ihrer jüngsten CD eingespielt hat, geht sie im straffen Tempo vor, erlaubt sich selbst keine Schwärmereien. Wo andere Interpreten förmlich im Violinklang baden, bleibt Julia Fischers Ton gläsern klar, ihre Linienführung bei aller Eleganz beinahe streng.

Der Hauch von Kühle, der da herüber weht, wird indes köstlich gemildert. Julia Fischer kann Farben abdunkeln, bis sie samtig, ja sphinxhaft unergründlich klingen. Sie kann ihrer Violine feinste Verschattungen abgewinnen, im Virtuosen aber auch blitzend auftrumpfen. Den Kopfsatz spielt sie mit kraftvoller Grandezza, im Finale steigert sie sich mit sichtbarer Freude in jubelnde Höhen hinein. Stets hält sie dabei den Kontakt zum Orchester, das die klangliche Balance trefflich hält. Julia Fischer sucht den Dialog, bettet den Solo-Part mit großer Stilsicherheit in die Gesamtpartitur ein. Absolut umwerfend, vielleicht sogar ohne Gleichen ist die Intonationsreinheit ihres Spiels. Frenetischer Beifall für eine der interessantesten Geigerinnen unserer Zeit.

Für den erkrankten Chefdirigenten David Zinman hatte Michael Sanderling die Leitung der kleinen Konzertreihe übernommen, die von Zürich aus in vier deutsche Städte führte. In Dortmund stürmt das Tonhalle-Orchester Zürich zunächst mit einigen Präzisionsverlusten in die Konzertouvertüre „Le Corsaire“ von Hector Berlioz hinein, zeigt sich in Tschaikowskys 4. Sinfonie dann aber in glänzender Verfassung. Dabei scheint Michael Sanderlings Lesart jedem Knalleffekt ängstlich aus dem Weg gehen zu wollen: Der Dirigent schlägt im Kopfsatz ein sehr gemessenes Tempo an, nimmt den Fanfaren des „Fatum“ genannten Schicksalsthemas jedes Schmettern, rundet alles Zackige durch Überbindungen. Das mag zunächst irritieren, aber Sanderling entwickelt das Werk aus einer skeptisch-zögerlichen Grundhaltung heraus. Das führt schließlich doch zu flammender Dramatik. Die Streicher entwickeln einen bohrenden Unisono-Klang, die Blechbläser demonstrieren ihre Kraft, ohne je grob zu werden. Erlesen auch die Soli der Holzbläser, deren Arabesken im zweiten Satz nahezu exotisch schillern. Im Tutti fügt sich der Klang der Instrumentengruppen nahtlos ineinander. Die nahezu perfekte Verblendung der Register führt zu großer Wucht, die stets wunderbar kultiviert bleibt.

(Informationen zum Programm des Konzerthauses: www.konzerthaus-dortmund.de)

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