Von Rahn bis Reus – Was wären die deutschen WM-Teams ohne Fußballspieler aus dem Ruhrgebiet?

Gastautor Heinrich Peuckmann über die unverkennbar wichtige Rolle von Kickern aus dem Revier:

Hat Jogi Löw für die morgen beginnende WM Fußballer aus dem Ruhrgebiet übersehen? Wenn es nach meinem jüngsten Sohn Niklas (Theologe an der Ruhruniversität Bochum) ginge, wäre da unbedingt Andreas Luthe zu nennen.

Essener Denkmal für den Fußballer Helmut Rahn, der von 1951 bis 1959 für Rotweiß Essen spielte und 1954 den deutschen Siegtreffer im WM-Endspiel erzielte. (Foto: Sebastian Ritter / Wikimedia Commons - Link zur Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de)

Essener Denkmal für den Fußballer Helmut Rahn (1929-2003), der von 1951 bis 1959 für Rot-Weiss Essen spielte und 1954 den deutschen Siegtreffer im WM-Endspiel erzielte. (Foto: Sebastian Ritter / Wikimedia – Link zur Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de)

Luthe ist Ersatztorwart beim Zweitligisten VfL Bochum, der mit seinen Paraden so manche Partie entschieden hat, einige freilich auch zugunsten des Gegners. Wenn bei einer Fußballübertragung ein Torwart einen Fehler macht, ruft mein Sohn: „Luthe! Die sollten sich den Luthe holen.“

„Die sollten Andreas Luthe holen!“

Zuletzt war das beim Finale der Champions League der Fall, als Karius von Liverpool das Spiel ganz alleine entschied, allerdings für Real Madrid. Da schlug Niklas wieder Liverpools Trainer Klopp vor, den Luthe zu holen. Aber mein Sohn trinkt auch das Bochumer Fiege-Bier, und wer Fiege trinkt, der darf auch Luthe gut finden.

Aus dem Ruhrgebiet ist diesmal Marco Reus von Borussia Dortmund dabei, und dem haben wohl alle Fans im Revier die Berufung gegönnt, war er doch bei Großturnieren stets verletzt. EM, WM, egal was kam, Reus lief an Krücken. Aber diesmal ist er fit, die Fans im Revier staunen. Zuletzt haben sie gewitzelt, dass Löw ihn in den Testspielen besser nicht aufstellen sollte, damit bloß nichts passiert. Aber Löw hat nicht auf die Fans gehört, hat Reus (ein echter Dortmunder Junge übrigens) spielen lassen und der hat tatsächlich das Spielfeld verlassen, ohne zu humpeln. Es gibt in diesen harten Zeiten auch noch gute Nachrichten.

Weigl und Götze – leider nicht dabei

Hätte Löw noch andere Spieler aus dem Revier mit nach Russland nehmen sollen? Den Julian Weigl vom BVB vielleicht. Weigl ist ein Abräumer vor der Verteidigung, er läuft die Lücken zu, unterbindet wunderbar die Angriffe des Gegners und sorgt für Stabilität. Leider war er lange verletzt und fehlte Borussia. Bis auf den 8. Tabellenplatz rutschte der BVB zwischenzeitlich ab, dann kam Weigl zurück und es reichte gerade noch für die Qualifikation zur Champions League. Ein paar schöne Abende im kommenden Herbst bedeutet das. Mindestens. Fünfmal hat Weigl für die Nationalmannschaft gespielt, vielleicht ist er, wenn es bei der Borussia in der nächsten Saison (hoffentlich!) wieder besser läuft, bald wieder dabei.

Das könnte auch für Mario Götze gelten, Schütze des entscheidenden Tores bei der letzten WM. Sein Schuh, mit dem er das Tor zum 1:0-Siege gegen Argentinien im Endspiel erzielte, steht nun in einer Vitrine im Dortmunder Fußballmuseum. Wer sagt eigentlich, dass die Zeit der Reliquienverehrung vorbei ist? Götze hat sich damit in die Reihe der anderen WM-Finaltorschützen eingereiht: Helmut Rahn 1954, Gerd Müller 1974, Andreas Brehme 1990.

Entscheidende Finaltore von Revierjungs

Helmut Rahn, dies nebenbei, war auch ein echter Ruhrgebietsjunge, was man nicht zuletzt an seiner Liebe zum Bier erkennen konnte. Rahn stammte nämlich aus Essen und hat die längste Zeit für Rot-Weiss gespielt, das mit ihm den Meistertitel gewann und Pokalsieger wurde. Heute dümpelt der Verein in der vierten Liga rum. Wer die B1 durch Essen fährt, kann an den Brücken ablesen, wie präsent der Helmut noch immer ist. Der unsterbliche Kommentar von Herbert Zimmermann ist nämlich dort zu lesen. Erste Brücke bei der Einfahrt: „Rahn müsste schießen“, zweite Brücke: „Rahn schießt auch“, dritte Brücke bei der Ausfahrt: „Tor, Tor, Tor!“

Mario Götze war auch lange verletzt und hat nicht mehr rechtzeitig zu seiner alten Form gefunden. Schade. Für Borussia und die Nationalmannschaft. Götze ist ein eher langsamer Spieler, er war das von Jugend an. Umso wichtiger war daher für ihn die Ballbehandlung und die ist Klasse. Wie er den Ball stoppt, ihn fast blind weiterleitet, wie er auf engstem Raum den Gegner austricksen kann, eine Augenweide! Aber dafür muss er in Form sein und das war er lange nicht. Erst zuletzt blitzte in einigen Spielen sein Können auf. Leider nicht in jedem.

Keine Chance für Fährmann bei Jogi Löw

Auf Schalke, wie man im Revier sagt, spielt ein guter Torwart. Fährmann heißt er und der hätte, das sagen selbst wir „Feinde“ aus Dortmund, längst mal eine Chance bei Löw verdient. In den berühmten Derbys hat er die Spieler von Borussia so manches Mal zur Verzweiflung gebracht. So gut wie Trapp, dritter Torwart im Löw-Team, ist er auch. Aber merkwürdig, Fährmann bekam nie eine Chance. Aber vielleicht ergeht es ihm ja wie dem Dortmunder Torwart Roman Weidenfeller, der auch jahrelang großartig hielt und von  Löw penetrant übersehen wurde, so dass Trainer-Idol Klopp schon witzelte, Weidenfeller sei der weltbeste Torhüter ohne Länderspiel. Das änderte sich erst kurz vor der WM 2014, als er überraschend doch berufen wurde, im reifen Alter von 34 Jahren noch zur WM mitgenommen wurde und es auf insgesamt 5 Länderspielen brachte.

Mit dabei ist noch Leon Goretzka, wie Reus ein richtiger Ruhrgebietsjunge, der aus Bochum stammt. Bis Ende dieser Saison spielte er für Schalke, nun wechselt er nach München. Dort spielt Manuel Neuer, trotz monatelanger Verletzung wieder Torwart Nummer 1 bei Löw. Neuer kommt auch aus dem Revier, aus Gelsenkirchen-Buer. Er ist der beste Torhüter der Welt, ein Junge von uns, aber seit er nach München gewechselt ist, mögen ihn auf Schalke nicht mehr viele.

Gelsenkirchen liegt nicht in der Türkei

Ja, und dann kommen noch andere Spieler aus dem Ruhrgebiet, die nun in ausländischen Spitzenclubs spielen. Julian Draxler, Mesut Özil und Ilkay Gündogan, alle aus Schalke, Verzeihung aus Gelsenkirchen. Auch wenn Özil und Gündogan zuletzt vielleicht gemeint haben, Gelsenkirchen liege in der Türkei und werde von Erdogan regiert.

Allein mit den Ruhrgebietsjungen könnte man also eine halbe Topmannschaft bilden. Nur fällt das leider nicht auf. Die Jungs verlassen uns. Warum eigentlich? Im Ruhrgebiet ist es doch „klasse“. Trotzdem, bei so viel „Ruhrgebiet“ im Löw-Team sind die Chancen auf den fünften WM-Titel riesig. Zweimal haben unsere Jungs schon die WM entschieden, Rahn und Götze. Deshalb stellt sich nicht die Frage, ob Deutschland wieder Weltmeister wird. Nein, einzig die Frage, wer von unseren Ruhrgebietsjungen das entscheidende Tor schießt, muss noch beantwortet werden.

image_pdfPDF öffnen / Open PDFimage_printDrucken / Print
Visited 25 times, 1 visit(s) today
Dieser Beitrag wurde unter Leibesübungen, Region Ruhr abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

1 Antwort zu Von Rahn bis Reus – Was wären die deutschen WM-Teams ohne Fußballspieler aus dem Ruhrgebiet?

  1. Gerhard Otto sagt:

    Horst Szymaniak sollte nicht vergessen werden …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert