„Von hier aus“: Kunst-Stadt auf dem Düsseldorfer Messegelände soll Kölner erbleichen lassen

Von Bernd Berke

Auch Unschlüssige soll die 60 Meter lange Rampe zur Kunst fiihren. Wer oben anlangt und sich einen groben Überblick über 14.000 Quadratmeter voller neuer deutscher Kunst verschafft, kann noch entschieden, ob er/sie für 8 DM die Halle 13 des Messegeländes betritt. Der Eintrittspreis wird erst hinter der Rampe fällig.

„Von hier aus“ heißt das wohl größte bundesdeutsche Ausstellungsprojekt dieses Jahres (29. September bis 2. Dezember, Katalog 40 DM). Witzbolde haben den Titel achselzuckend parodiert: „Von m i r aus“… Der Originaltitel aber verweist nicht zuletzt auf die stete Rivalität zwischen den rheinischen Kunstmetropolen Köln und Düsseldorf. „Von hier aus“, so behaupten nun bis zum Beweis des Gegenteils die Düsseldorfer, gehen derzeit die magnetischen Kraftlinien der Kunstentwicklung aus.

Besonders der Beschluß des Bundesverbandes Deutscher Galerien, Köln zur alleinigen Kunstmessenmetropole zu erklären, hatte vor Jahresfrist Düsseldorfs Galeristen auf die Palme gebracht. Mit einem noch nicht zum Abschluß gebrachten Kraftakt hat vor allem die örtliche Finanzwelt 3 Mio. DM für die gigantische Schau aufgebracht.

Kasper König als Ausstellungsmacher gewonnen

Kasper König (40), seit der 1981er „Westkunst“ in Köln zur ersten Garde der freien Ausstellungsmacher gestoßen, wurde von den Sponsoren (Rang eins: Stadtsparkasse Düueldorf mit 1 Mio. DM) angeheuert. König schuf, wenn auch wohl nicht der Kunst-Weisheit höchsten Gipfel, so doch eine Ausstellung, deren purer Ereignisrang hoch veranschlagt werden muß.

Hermann Czech, Wiener Stararchitekt, verbaute etwa ein Drittel des Gesamtetats für eine regelrechte Kunststadt, in deren Winkeln, Gassen, Arkaden, Tempelchen, Rotunden und Hinterhöfen König die Kunst so großzügig inszenieren konnte, daß dem einzelnen Kunstwerk beinahe eine Art „Majestät“ zurückgewonnen wird. Nach über 200 Atelierbesuchen konnte König etwa 70 Künstlern zusagen. Joseph Beuys ist, da es die Weltläufigkeit der Düsseldorfer zu belegen gilt, natürlich dabei.

Man geht nicht einfach durch diese Ausstellung – man schlängelt sich durch überraschende Türen und Öffnungen, wandelt zwischendurch auf breiteren Pfaden, betritt treppauf majestätische Bauten oder intimere Gelasse – kurz: In der Kunststadt wird jeder Schritt zum Abenteuer.

100 Video-Bildschirme flimmern unterm Hallendach

Dominierende Erscheinungen sind eine glockenförmig vom Hallendach hängende Installation mit etwa 100 Video-Bildschirmen (flimmerndes Werk des renommierten Koreaners Nam June Paik) und ein Ziegelsteinturm des Dänen Per Kirkeby, der – ebenso wie Paik – kurzerhand der deutschen Szene zugeschlagen wurde. Hernach gerät man zum Beispiel in einen Raum, in dem Dieter Roth 42 Fimprojektoren mit verschiedenen Fümea losschnurren äßt – Bewußtmachung beispiellosen Medientenors. Von Manfred Stumpf gibt’a das zeichnerische Gesamtwerk, abrufbereit auf einem Momtor. Der Besucher tippt dazu einfach eine dreistellige Zahl ein.

Malerei steht dennoch im Mittelpunkt. Keine Überraschund: Die meistens Stars der neudeutschen Szene, zum nicht geringen Teil Beuys-Schüler, sind dabei, u. a. Anselm Kiefer mit seinen Bildem der verbrannten Erde, Biennale-Teilnehmer A.R. Penck mit an die Schriftzeichen vorzeitlicher Kulturen erinnernden Riesenfromaten, Jörg Inmendorffs monumentaIe Meditations-Comics zur deutschen Geschichte, und auch „Wilde“ wie Salome (Porno-Szenen im heftigen Gestus) oder Rainer Fetting.

Dies ist vielleicht eine der hervorragendsten Leistungen der Mammutschau: Daß sie den bislang überschätzten Strömungen keinen übermäßigen Platz einräumt und behutsam verschiedene Tendenzen sichtbar macht.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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