Vier Teufel aus dem Luftschacht: Faust I am Düsseldorfer Schauspielhaus

FAUST I, v.l.n.r. Thiemo Schwarz, Konstantin Bühler, Stefan Hunstein, Karin Pfammatter, Katrin Hauptmann,  Jakob Schneider, Foto: Sebastian Hoppe/Düsseldorfer Schauspielhaus

FAUST I, v.l.n.r.
Thiemo Schwarz, Konstantin Bühler, Stefan Hunstein, Karin Pfammatter, Katrin Hauptmann, Jakob Schneider, Foto: Sebastian Hoppe/Düsseldorfer Schauspielhaus

Die Teufel sind unter uns, sie wohnen in den Wänden. Und dann kommen sie als böse Geister aus den Luftschächten gekrochen und verbreiten Unheil, Gier und Schmerz. Dabei machen sie teuflisch gute Musik (Volker Zander), um uns zu verführen.

Die Teufel, vier an der Zahl, heißen alle Mephisto und sind Goethes Faust I entsprungen, wie ihn Georg Schmidtleitner für das Düsseldorfer Schauspielhaus inszeniert hat. Zwei Stunden ohne Pause dauert Goethes Klassiker hier nur, manches Mal rattert der Text dabei ein wenig schnell an uns vorüber.

Vor allem im Studierzimmer, das Bühnenbildner Harald Thor als einen Betonbunker konzipiert hat, der an die heruntergekommenen Räumlichkeiten einer Massenuni erinnert. Hier sitzt Faust (Stefan Hunstein) am Laptop (derweil der altmodische Nadeldrucker in der Ecke quietschend Papiermüll produziert) und nuschelt fahrig vor sich hin. „Philosophie, Theologie“ – das bringt ihm alles nix mehr, diesem Professor in Zeiten des akademischen Prekariats einer geisteswissenschaftlichen Fakultät im Abseits. Depressiv schwitzt er sein Schlabber-T-Shirt voll, dann krabbelt auch noch Wagner (Konstantin Bühler), übereifrig und mit Nerd-Brille, aus dem Papierstapel hervor und nervt mit schlauem Geschwätz.

Zum Glück sorgt gleich die Teufelsband, bestehend aus zwei Frauen (Karin Pfammatter und Katrin Hauptmann) und zwei Männern (Jakob Schneider und Thiemo Schwarz) für Abwechslung: Im schwarzen Grufti-Outfit versuchen sie Faust zu becircen, doch nachdem er ein Video von Gretchen gesehen hat, können ihm die ganze Walpurgisnacht sowie Auerbachs-Keller gestohlen bleiben und uns im Zuschauerraum auch, denn für uns bleiben davon nur ein paar Zitate. „Besonderer Saft? Hexeneinmaleins? Ach, ja, ach, ja, genau!“

Allerdings wird Fausts Verjüngungskur, um für Gretchen fit zu werden, aufgepeppt mit einem Wagnerschen Vortrag zur Gentechnik und ein wenig Nietzsche, was der Sache eine originelle Note verleiht.

Der Star des Abends aber ist Gretchen. Seltsam, denn als sie so hinterwäldlerisch im Rüschenkleidchen und komischer Mädchenfrisur die Bühne betritt, denkt man erst mal „Ach nee, so ein Trampel“. Doch Katharina Lütten interpretiert die Rolle ganz eigenartig und vielschichtig: naiv, aber gleichzeitig nüchtern-geradeaus, linkisch und doch klug. Warum fällt sie überhaupt auf den Idioten herein, das pragmatische Bauernmädchen? Wahrscheinlich, weil sie noch nie in ihrem jungen Leben irgendjemand beachtet hat.

Das ist psychologisch glaubwürdig und macht den verhexten Faust im Grunde austauschbar. So leidet Gretchen nicht so sehr daran, von ihm verlassen worden zu sein, sondern wider den eigenen Menschenverstand in den sozialen, moralischen und existenziellen Abgrund zu sinken. Wahnsinn und Tod im Kerker erträgt sie als logische Konsequenz und Flucht mit Heinrich ist keine Option mehr. Der geht dann mit der Teufelsband auf Tour.

Ich habe nachgezählt, es war jetzt mein fünfter Faust. Zum tieferen Textverständnis hat er nur teilweise beigetragen, aber ich fand ihn ganz unterhaltsam – also, wenn man weiß, worum es geht, reicht die Light-Version für zwischendurch. Frohe Weihnachten!

Karten und Termine: www.duesseldorfer-schauspielhaus.de

 

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