Von Bernd Berke
Man kennt das vom „Spiegel“. Manchmal gehen mit den Blattmachem des Hamburger Nachrichtenmagazins einfach die Pferde durch. Dann liegen unter Bergen von sprachlichem Brimborium grad mal ein paar Körnchen Informationsgehalt verborgen.
„Spielgel“-Kulturredakteur Klaus Umbach hat ein Buch über die millionenschweren Machenschaften im Geschäft mit der klassischen Musik geschrieben. Er bedient sich dabei über weite Strecken dermaßen exzessiv des „Spiegel“-Stils, daß es zuweilen ärgerlich wird. Man liest und liest und erfährt dabei vor allem, daß der Autor sich selbstgefällig in den Formulierungen seiner Gag-Schreibe „spiegelt“. Beispiel für viele:
„Jahrhundertelang lag das flache Land unter hohem Himmel in tiefem Frieden. Als Diogenes schon in der Tonne hauste, Cäsar nach Cleopatra grabschte und Nero die Christen zerfleischen ließ, kurzum: als das Abendland langsam seine wahre Bestimmung erkannte, da war an der Waterkant nur der Bär und nichts als der Bär los. Galt schon die ganze zottelfellige Germania bei den alten Römern als Blinddarm des europäischen Kulturrumpfes, so lag Holsatia, dieses Holstein ganz da oben, geradezu am Arsch der Welt: finster und windig, ein Loch in der Landkarte“.
Eine tolle Flut von Adjektiven. Erraten, worum es da gehen könnte? Um den laut Umbach idyllischen, weil praktisch musikfreien Zustand, bevor Justus Frantz den Nordlichtern sein Schleswig-Holstein Musik-Festival bescherte. Mit dem zitierten Absatz leitet Umbach ein ätzend-bissiges Kapitel über Frantz ein. Der umtriebige Pianist und Intendant ist eines von Umbachs Lieblingsobjekten. Doch auch Karajan und Bernstein bekommen posthum jede Menge Häme ab, wenn es gilt, die Geldscheffler des Gewerbes anzuprangern. Nicht verschont bleiben auch die Geigerin Anne-Sophie Mutter (anzügliche Kapitelüberschrift: „Edelstrich der Nation“), die Pianisten Ivo Pogorelich, Friedrich Gulda und Wladimir Horowitz, der Cellist Mstislaw Rostropowitsch, die Sänger Luciano Pavarotti und Peter Hofmann, der Komponist Karl-Heinz Stockhausen sowie einige andere.
Natürlich bekommt man auch viele Einblicke, die wahrhaft erschaudern lassen. Besonders die Passagen über monopolistische Praktiken von Konzert-Agenturen oder Gigantenkämpfe zwischen Plattenkonzernen sind lesenswert. Doch in erster Linie bedient Umbach routiniert (und manchmal hundsgemein unter der Gürtellinie) das Tratschbedürfnis im Kultursektor.
Der Ordnung halber gesteht er seinen „Opfern“ jeweils in aller Kürze gewisse musikalische Qualitäten zu, um dann desto ausführlicher und erbarmungsloser ihre Geldgier anzuprangern. Da werden Könige reihenweise vom Thron gestoßen. Der Autor vergißt dabei nie, seine über allem schwebende Kennerschaft ins Licht zu rücken und so zu tun, als sei er bei jedem Finanzdeal live dabeigewesen. Jedenfalls: Der gewiß gleichfalls nicht übel bezahlte Umbach steht hernach immer als strahlender, moralischer Sieger da.
Überhaupt lebt dieses Buch zum einen von unser aller Neid und Schadenfreude, zum anderen von der moralischen Fallhöhe, sprich: der Kluft zwischen hochveredeltem Gestus der Klassik-Szene und der zuweilen wirklich schamlosen Gier ihrer Weltstars. Fazit: Da wird im Grunde abgezockt wie im Rock-Business, allerdings unter dem Mäntelchen von unantastbarer Hochkultur.
In die normalen Niederungen des Musiklebens hat sich Umbach freilich nicht begeben. Dort herrscht erheblich weniger Luxus. Dennoch erweckt das Buch manchmal den falschen Eindruck, als werde die gesamte Musik im Übermaß subventioniert.
Klaus Umbach: „Geldscheinsonate. Das Millionenspiel mit der Klassik“. Ullstein-Verlag, 296 S., 39,80 DM.